Rezension

Dunkle Zeiten, schwarzer Tod

Keiner kommt davon - eine Geschichte vom Überleben - Sally Nicholls

Keiner kommt davon - eine Geschichte vom Überleben
von Sally Nicholls

Bewertet mit 4.5 Sternen

Die Gottlosen - das sind immer die anderen. Die da drüben, auf der anderen Seite des Kanals, die Franzosen, oder ok, vielleicht auch noch diese Städter in London. Davon sind die vierzehnjährige Isabel und die Dörfler von Ingleforn überzeugt.
Wir schreiben das Jahr 1349 und die Pest, der Schwarze Tod, kriecht unerbittlich näher und näher. Doch damit bestraft doch Gott nur all jene, die gesündigt haben, oder?
Isabel, ihr Vater, ihre Stiefmutter und ihre fünf Geschwister sind Bauern, Leibeigene von Sir Edward. Isabel liebt das Leben auf dem Land, auch wenn sie mit der Leibeigenschaft so ihre Probleme hat. Trotzdem ist sie so glücklich, wie man das von einem vierzehnjährigen Teenager erwarten kann, ganz egal in welchem Jahrhundert. Sie macht sich Gedanken um ihr Leben, und klar, um Jungs. Ihren ersten Kuss bekommt sie zwar nicht von ihm, aber Robin ist das, was man ihren Traummann nennen kann. Seit ihrer Kindheit sind sie davon überzeugt, dass sie einmal heiraten und eine Familie gründen werden.
Doch dann kommt die Pest. Erst bei den Heiden in Frankreich, noch kein Grund zur Sorge. Dann schwappt sie nach England hinüber und die Gedanken beginnen zu kreisen, als sie in London ausbricht, doch auch London ist weit weg. Und plötzlich ist sie in York, und damit ist sie auch bei ihnen. Vor der Pest kann man nicht davonlaufen, sie schnappt sich, wen auch immer sie haben möchte. Ihr Miasma macht die Leute krank - entweder mit dicken, schwarzen Beulen, die den ganzen Körper zum Schreien empfindlich machen oder sie lässt die Leute Blut spucken oder sie kommt auf so leisen Sohlen, dass man sich abends gesund zum Schlafen hinlegt und morgens tot aufwacht. Oder eher nicht.
Die Pest ist jetzt auch in Ingleforn und ringsherum sterben die Leute wie die Fliegen. Wie sollen Isabel und Robin ihr Leben zusammenhalten? Inwieweit darf christliche Nächstenliebe gehen, wenn jede Nähe zu einem Pestkranken den Tod bringt? Und warum sollte man sich überhaupt noch kümmern, wenn man doch stirbt? Verzweiflung und Hoffnung liegen so eng nebeneinander, dass man jederzeit droht, auf dem schmalen Grat dazwischen abzurutschen.

Das Buch hat mich bewegt wie selten ein anderes. Obwohl ich viele Leute nicht einmal besonders mochte, war es kaum erträglich zu erfahren, wie sie starben oder mit dem Tode rangen. Wie sie litten, wenn geliebte Menschen sich isolierten, weil sie wussten, dass sie dem Tod geweiht waren, wie schlimm es war, die Todeskämpfe von Nahestehenden mitzuerleben. Kleine Babys, alte Menschen, junge Priester, Reiche, Arme, niemand wurde von dem Sensenmann verschont. Sehr realistisch kommen die Reaktionen einzelner rüber, wie sie versuchen, mit der Situation klarzukommen, wie es - wie immer - die üblichen Verdächtigen gibt, die sich an der Not anderer bereichern oder im Gegensatz dazu, wie manche Menschen versuchen, anderen zu helfen.

Bestimmt ist die Geschichte kein einfacher Stoff. Die Verzweiflung ist manchmal greifbar, und das Sterben ist hässlich und stinkt. Der Schreibstil kam mir anfangs ein wenig holprig vor, doch das gab sich nach ein paar Seiten und ab da wurde das Buch zu einem absoluten Pageturner.

Fazit: Erschreckend, entsetzlich, bewegend, mitreißend, berührend und absolut empfehlenswert.