Rezension

Durchwachsen

Das Fest der Liebe -

Das Fest der Liebe
von Jean Meltzer

Bewertet mit 3 Sternen

"Santa: Ich bin kein Psychotherapeut!" zu einer erwachsenen Jüdin, die Rat auf seinem Schoß suchte. Wer mit solchem Humor nicht klar kommt, sollte die Finger vom Roman lassen. Denn ernst nehmen, kann man hier den Aspekt der beiden Religionen nicht wirklich. Weihnachten wird nur als magisches Lichterfest mit Geschenken ohne religiösen Bezug beschrieben und das Judentum, dazu komme ich später. 

Ich hatte am Anfang die Erwartung, dass es sich hierbei um einen humorvollen Liebesroman handeln wird. Aber ich wurde recht schnell eines Besseren belehrt. Anstatt mir das Judentum näher zu bringen und "schmackhaft" zu machen, wurden die Traditionen und Feiertage ins Lächerliche gezogen. Nicht das, was ich erwartet habe, aber nachdem ich eben gelesen habe, in welche Richtung es eher ging, habe ich mich nach 10 Prozent etwa einfach auf das Niveau begeben und meine Erwartungshaltung dementsprechend geändert. Es folgten nämlich sehr viele Klischees über Juden. Und hin und wieder musste ich dann doch über manchen Witz lachen. Ich denke, wenn eine Jüdin das schreibt, dann ist das auch okay und nicht antisemitisch. Aber überrascht hat es mich auf jeden Fall. Rachel witzelt darüber, dass koscheres Essen überteuert sei, Geizkragen, die für ihr Übergepäck nicht zahlen wollen und sich aus solchen Situationen immer herausreden, die Protagonistin erfindet selbst Talmud Verse in sarkastischem Unterton, jüdische Investoren, die nur auf Geld aus sind und daher Partys mit VIPs in Bikinis auf Yachten auf der ganzen Welt feiern und alles omnipräsent auf Instagram zur Schau stellen. Zwischenzeitlich wurden mir die Charaktere so reich dargestellt, dass ich mich fragte, ob an dem Gerücht doch etwas Wahres dranhängt, dass alle Juden in Geld schwimmen... Man darf den Roman also wirklich nicht zu streng sehen. 

Mit der Zeit wurde es aber besser, man lernte nicht viel, aber ein bisschen mehr über die Religion. Allerdings wurden die Regeln dann auch nur erzählt und nicht näher erklärt. Daher habe ich nicht verstanden und nachvollziehen können, warum man über Schabbat kein Telefon benutzen darf. Den Herd auszuschalten gilt für sie auch als Arbeit und darf an diesem Feiertag auch nicht erledigt werden. Sie dürfen das Licht nicht an und ausschalten, aber Geschirr spülen? Sie dürfen Geschirr spülen, aber nicht selbst duschen? Ich habe während dem Lesen zunehmend mehr Fragen als Antworten bekommen. Insgesamt bekam ich aber das Gefühl, dass das eine Religion ist, die ein paar Neuerungen gebrauchen könnte, in meinen Augen, aber auch in den Augen von Meltzer, da sie in einer Szene selbst schreibt, dass die Religion eine "obsessive Ablehnung an Entwicklung und Anpassung" strikt durchsetzt. Was mich dann aber richtig schockiert hat ist, dass man an Schabbat Kerzen anzündet und anschließend zum Gottesdienst geht. Was für Versicherungen schließend Juden ab? Da ist doch die Brandgefahr riesig, wenn Kerzen unbeaufsichtigt über Stunden brennen? Und den Sinn habe ich hier wieder nicht nachvollziehen können. Hier ist mir klar geworden, dass ich niemals zum Judentum konvertieren würde. 

Die Eltern von Rachel sind sehr konservativ jüdisch. Durch die strenge Erziehung hat Rachel aufgehört Spaß in ihrem Leben zu haben. Dieser Satz im Buch hat mich wirklich traurig gestimmt. Denn gleichzeitig schien durch, wie sehr sie ihre Eltern liebt und diese im positiven Licht darstellt. Das passte nicht, ein bisschen Kritik wäre hier definitiv angebracht gewesen. Aber ich konnte die Eltern dennoch nicht ganz fassen. In einem Punkt erklärte Rachel, dass orthodoxe Juden das fremde Geschlecht nicht berühren außer ihrer ehelichen Partner. Gleichzeitig hat ihr Vater, ein Rabbi kein Problem damit, dass seine Frau fremde Männer in ihrem Haus umarmt? Das passte für mich nicht wirklich zusammen. 

Dem entgegen stand da die kaputte Familie um Jacob, die eigentlich nur von einem nicht vorhandenen Vater und seiner immerzu reisenden, aber liebevollen Oma besteht. Er selbst sehnte sich nach einer Familie und ich wollte ihn direkt ganz fest drücken! 

Der beste Freund Rachels ist ein schwuler Jude. Das war für mich auch verwirrend, da orthodoxe Juden Homosexualität abstoßen. Dass Rachel dann so ein großes Problem damit hat, sich vor ihrer Gemeinde als perfekte Rabbitochter zu präsentieren und daher dringend verschweigen muss, dass sie krank ist und Weihnachtsromane schreibt und gleichzeitig aber mit einem Schwulen abhängt, war für mich absolut widersprüchlich. Zunehmend wurde in meinen Augen jeder Funke an Glaubwürdigkeit im Roman zerstört. 

Hin und wieder schienen mir einige weitere Szenen auch eher unrealistisch. Dass sie zum Beispiel mitten am Tag allein in einem leeren Waggon der Subway in NYC sitzt. 

In einem Punkt wurde erklärt, wie schwer es im nahrungsmittelknappen Holocaust war und man ums reine Überleben kämpfte, nur um dann in der nächsten Szene mit Essen um sich zu schmeißen? Das empfand ich als pietätlos. 

Insgesamt wurde mir auch nicht klar, warum Rachel unbedingt auf so einen Ball musste, um einen Roman zu schreiben, wenn sie die Zeit auch einfach mit intensiver Recherche hätte definitiv besser nutzen können. 

In diesem Roman wurden sehr viele Wörter in fremder Sprache, hier muss es sich entweder um Jiddisch oder Hebräisch handeln, vorkommen, ohne weiter darauf einzugehen. Das verstehe ich nicht und will nicht andauernd recherchieren. Im Anhang habe ich dann am Ende eine Liste gefunden mit Begriffserklärungen. Im E-Book Format aber eher unhandlich. Fußnoten wären praktischer gewesen. 

Durch all die Ungereimtheiten im Buch, empfand ich den Roman als nicht wirklich rund. Schade auch, dass das Buch in NYC spielt und man kaum etwas von der bezaubernden Stadt mitbekommt. Sie sitzt meist in einem Taxi oder in der Sub und sonst findet der Roman ausschließlich in vier Wänden oder im Four Seasons statt. 

Das Schlimmste war aber das Ende. Ich empfand die Aktion einfach nur als degradierend und höchstpeinlich, wobei die Szene wohl eine Geschichte im Judentum nachstellen sollte und daher als romantisch aufgenommen werden sollte. Das hat meiner Meinung nach gar nicht funktioniert. Ich habe mich viel mehr fremdgeschämt während dem Lesen. Der schwule beste Freund war am Ende dann auch too much. So klischeebeladen, dass mir schlecht geworden ist. 

Insgesamt hat sich Meltzer wirklich viel Mühe gegeben und das erkenne ich auch an, aber den wichtigsten Aspekt hat sie einfach außer Acht gelassen. Die Gefühlsebene. Da trafen sich zwei Personen, die sich mit 12 Jahren ineinander verguckt hatten, nach 18 Jahren für eine Woche wieder und es war plötzlich die große Liebe? Das kann man als Leser nicht nachvollziehen. Sie hatten dann keine Dates, nichts Romantisches unternommen etc. Die Liebe kam nicht rüber. Ich konnte sie nicht spüren. Es hieß eher andauernd: Er/Sie sah so gut aus! Das reicht mir nicht.