Rezension

Easy going...

Gott bewahre - John Niven

Gott bewahre
von John Niven

Bewertet mit 3.5 Sternen

John Niven spricht Klartext: Brisant, amüsant, kontrovers!'

Als Gott von einem einwöchigen Angelurlaub zurückkehrt (doch Zeit ist relativ - auf der Erde sind inzwischen 450 Jahre vergangen...), ist er entsetzt. Die Menschheit hat sich auf eine Art entwickelt, die er nicht mehr gutheißen kann: Umweltsünden, Kriege, moralischer Verfall, kirchliche Hassprediger, skrupellose Kommerzialisierung - ein wahrer Selbstzerstörungstrip.
Nach kurzer Überlegung gibt es für Gott nur eine Lösung: erneut muss er seinen Sohn auf die Erde schicken...

Jesus im modernen Zeitalter? Ein interessantes Gedankenspiel. John Niven lässt den Heiland natürlich in Amerika wiederauferstehen, in Armut lebend und den lieben Herrgott einen guten Mann sein lassend. Gitarre, Musik und Joints pflastern seinen Weg - savoir vivre, wenn man ihn denn lässt. Wegbegleiter ist der "Abschaum" der Gesellschaft, Drogenabhängige, Gescheiterte, Obdachose - die Underdogs als Jünger.
Als er merkt, dass er ein größeres Forum benötigt, um die Botschaft "Seid lieb" - das einzige Gebot, das Gott wichtig ist - unter die Menschheit zu bringen, beschließt er, an einer Casting-Show teilzunehmen...

Es gelingt John Niven in meinen Augen, der (westlichen) Welt einen unangenehmen Spiegel vor Augen zu halten. Er präsentiert hier eine beißende Zivilisationskritik mit erheblich mehr Hintersinn und Tiefe als die etwas überdrehte Story auf den ersten Blick erwarten lässt. Der Irrsinn unserer Zeit wird hier mehr als einmal vorgeführt, und dabei wird auch vor der Rolle der Kirche nicht haltgemacht.
Weshalb also vergebe ich nur 7 Punkte? Abgesehen davon, dass mir Rock´n Roll und Marihuana als allein seeligmachendes Lebensgefühl auf Dauer irgendwie zu flach vorkamen, blieb für mich auch zu viel in der deftigen Sprache stecken. Der inflationäre Gebrauch der Fäkalsprache war über den gesamten Zeitraum gesehen eher ermüdend und lenkte dann auch von Wesentlicherem ab. Gefühlte 800 x "Scheiße" habe ich mir da angehört, stets untermalt von anderen lockeren Sprüchen wie "beschissen", "Pisser", "Wichser" usw. und gipfelnd in Sätzen wie "Fick Dich, Du Pisser, Du fetter, verblödeter, alter Sack"... Vielleicht repräsentiere ich als Hörer einfach nur die falsche Zielgruppe - aber tatsächlich kommt für mich hier einmal mehr der Spruch zum Tagen: weniger ist mehr.

Gerd Köster liest das Hörbuch (hier: die vollständige Version von audible.de) in angenehmer Stimmlage.

Ein Buch gegen die Intoleranz, mit teils treffendem, teils aber auch überzogenem Humor und einer Geschichte, anhand derer Niven den Zynismus und die Bigotterie unserer Zeit aus dem Schatten ins grelle Licht zerrt.
Sicher nicht jedermanns Geschmack, aber auf jeden Fall erst einmal ein interessantes, wenn auch im Stil nicht immer leicht zu ertragendes, Lese-/Hörerlebnis.