Rezension

Ehrlich aber zu einseitig erzählt

Ohrfeige
von Abbas Khider

Bewertet mit 3.5 Sternen

Im Gefängnis lernt man gut Deutsch

„Wie hatte das alles nur so weit kommen können? Unser Ali war jetzt also radikaler Muslim und schimpfte auf alles. Rafid war weltoffener Kosmopolit und schimpfte auch auf alles. Er schimpfte auf die Amerikaner, die Araber, die Muslime, die Christen und sogar auf mich. Und ich? Ich machte es mir gemütlich.“

Inhalt

Karim Mensy fesselt eine Mitarbeiterin der Ausländerbehörde an einen Stuhl und schildert ihr sein Leid, welches ihn begleitet, seitdem er den Irak verlassen hat, um ursprünglich in Frankreich Fuß zu fassen und nun irgendwie, durch den Fehler seines Schleppers in Deutschland gelandet ist. 

Der ganze Irrsinn der Flüchtlingsproblematik, sobald die jungen Männer ihre Heimat verlassen haben, um andernorts anzukommen, offenbart sich auf den gut 200 Seiten des Romans. Karim erörtert seine Erfahrungen mit einer guten Portion Humor, doch dieser täuscht nicht über die bitterbösen Erlebnisse hinweg, die ihm tagtäglich passieren. Sehr schnell wird deutlich, dass einer wie Karim in Deutschland weder gewollt noch gebraucht wird. Trotz seiner Bemühungen zunächst für ein einziges Jahr, jede erdenkliche Arbeit anzutreten, um danach wenigstens den Sprachkurs finanziert zu bekommen, gelingt es ihm nicht, einen anderen Status als den des mühsam geduldeten Fremdkörpers einzunehmen, dem sich keine Perspektive offenbart. Und während sich seine Freunde aus der Heimat innerlich verändern, indem sie entweder radikalisieren, sich prostituieren oder schlimmstenfalls gar dem Wahnsinn anheimfallen, wird für Karim nur eines deutlich: er muss weiterziehen, dorthin wo wenigstens der Hauch einer Chance besteht …

Meinung

Dies war mein erster Roman aus der Feder des aus Bagdad stammenden Autors, der selbst schon im Gefängnis saß und sich als illegaler Flüchtling durchschlagen musste, weshalb man ihm persönliche Erfahrungswerte zutraut. Er widmet sich ehrlich und dennoch humorvoll dem exemplarischen Schicksal vieler Geflüchteter, die sich irgendwie und irgendwo auf der Welt durchschlagen müssen, um vielleicht eines Tages ein Leben zu führen, jenseits politischer Verfolgung, persönlicher Demütigung und kriegerischer Alltäglichkeit.

In einer Art Monolog führt er den Leser durch sein Leben, geprägt von ungewollten Aufenthalten in überfüllten Flüchtlingsunterkünften, in die unüberbrückbare Hürde der Verständigung, die er nur mühsam überwinden kann, da er wegen seiner fehlenden Sprachkenntnis natürlich nirgends Anschluss findet. Und so gestaltet sich sein Leben voller Langeweile und zermürbender Warterei auf den nächsten Tag. Unterbrochen wird das nur durch die potentiell hoffnungsfrohe Botschaft eines angenommenen Asylantrags oder eben dessen zerschmetternde Ablehnung. Insbesondere der Grund, warum Karim seine Heimat tatsächlich verlassen hat, ist doch ein ziemlich profaner, deshalb lässt sich sein Anrecht auf Asyl nicht gut erklären, so dass er gezwungen ist, eine erfundene Geschichte zum Besten zu geben.

Fazit

Ich vergebe 3,5 Lesesterne (aufgerundet 4) für diesen Roman aus der Innensicht eines Betroffenen, der Zusammenhänge deutlich macht und geregelte Abläufe sinnlos erscheinen lässt. Sicherlich bekommt Deutschland hier nicht die besten Zeugnisse ausgestellt, doch niemand polarisiert. Die Dinge werden hingenommen, als Flüchtling muss man sich arrangieren, auch wenn man sich an den Gesetzen die Zähne ausbeißt.

 Die Frage nach dem Zurück stellt sich nicht, in der Heimat ist es weitaus schlimmer, aus einer Vielzahl an Gründen. Interessant sind die vielen Vorurteile auf beiden Seiten, die unüberwindbaren Gegensätze die durchaus kulturell verankert sind, sich aber in erster Linie auf den Menschen selbst konzentrieren – Chaoten und Störenfriede gibt es überall auf der Welt und Menschen die helfen und sich einbringen ebenfalls, doch alle in die gleiche Schublade zu stecken ist einfacher, als sich immer wieder mit den neuen Rahmenbedingungen anzufreunden.

 Das einzige was mir hier wirklich gefehlt hat, war eine größere Perspektivenvielfalt der Thematik, die durch den Monolog Karims auf ein Minimum beschränkt blieb, dadurch hat sich inhaltlich vieles wiederholt und eine abschließende Aussage verblasst letztlich – für mich immer ein Minuspunkt bei einem Roman mit ansprechender Geschichte.