Rezension

Ein Baum - ein Leben

Das Marillenmädchen - Beate T. Hanika

Das Marillenmädchen
von Beate T. Hanika

Bewertet mit 5 Sternen

Es gibt eine Konstante in Elisabettas Leben: der Marillenbaum im Garten des Wiener Elternhauses. Noch in der Kriegszeit vom Vater gepflanzt, ist er Elisabettas Halt und Erinnerung an ihre Familie. Nur durch einen Zufall war sie nicht im Haus, als ihre Familie deportiert wurde.  Jedes Jahr nun kocht sie Marillenmarmelade ein und ihr Regal im Keller füllt sich mit den Gläsern, wie der Baum jedes Jahr um einen neuen Jahresring älter wird. Und jedes Jahr erinnern sie die Gläser im Regal an die Geschehnisse, die ihr widerfuhren. An ihre Schwestern Rahel und Judith, mit denen sie stumme Zwiesprache führt, an ihre Tochter Esther und ihre Enkelin.
Doch da kommt eines Tages Pola als Untermieterin ins Haus, eine junge deutsche Tänzerin, die Elisabetta verstört und aus ihrer Ruhe reißt. Es ist kein Zufall, der Pola zu Elisabetta führt.
Das Buch ist auf mehreren Zeitebenen geschrieben und manche Ereignisse werden nur angedeutet; kleine Gedanken- und Erinnerungssplitter die mich als Leserin sofort in das Leben Elisabettas und Polas hineinzogen. Rückblenden zeigen allmählich die Verbindung der beiden Frauen auf und ziehen sich wie eine dunkle Ahnung durch das Buch. Gerade, weil manches nicht ausgesprochen wird und es dem Leser überlassen ist, Schlüsse und Verbindungen zu ziehen und zwischen den Zeilen zu lesen, ist der Roman so überzeugend und hat mich tief berührt.
Ich konnte mich der sensiblen Sprache nicht entziehen, eine melancholische Sprache und trotzdem behält der Roman einen lebensbejahenden Grundton.  Es ist ein emotionales Buch, das sicher kein Leser ohne innere Anteilnahme zur Seite legen kann. Ein wirkliches Leseerlebnis, das noch lange nachwirkt und im Kopf und im Herzen bleibt. Ich kann das Buch nur wärmstens empfehlen.