Rezension

Ein besonderes Leben?

Wald - Doris Knecht

Wald
von Doris Knecht

Als ich die Inhaltsbeschreibung dieses Buches las, fühlte ich mich an den wunderbaren Roman DIE WAND von Marlen Haushofer erinnert. Das war dann auch das entscheidende Argument für eine Bewerbung für dieses Buch.
Jetzt nach der Lektüre, die mir stellenweise nicht ganz leicht gefallen ist, trotzdem war ich fasziniert, kann ich sagen: Ja, es gibt durchaus gewisse Ähnlichkeiten zischen den beiden Büchern, aber die Unterschiede überwiegen doch sehr.

In DIE WAND ist das einsame Leben der Protagonisten von äußeren und nicht erklärbaren Umständen erzwungen und es besteht keinerlei Leben mehr um sie herum. Somit gibt es keine sozialen Kontakte mehr. In WALD ist dieses Leben ein selbst gewähltes und Marian verfügt durchaus über solche Kontakte, auch wenn sie diese sehr klein hält.
In ihrem früheren Leben war sie erfolgreich als Unternehmerin, gut situiert, musste sich kaum einen Wunsch versagen, hatte Freunde und ein lebhaftes Freizeitleben. Jetzt hat sie nichts mehr und muss sich jeden Tag aufs Neue Gedanken machen, wie sie die notwendigsten Dinge wie z. B. den Strom finanziert.
Marian lebt in einer Art Einsiedlertum, das ihr von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aufgezwungen wurde. Sie lebt in einem kleinen und etwas heruntergekommenen Haus einer verstorbenen Tante. Hier lernt sie nach anfänglich großen Schwierigkeiten und Einschränkungen, dass sie durchaus in der Lage ist, auch unter diesen besonderen Umständen für ihr Auskommen selbst zu sorgen. Sie reaktiviert den Garten der Tante, baut Nahrung an und besinnt sich darauf, wie diese zu konservieren ist. Sie wird bei Wildern erwischt und auch aus dieser Situation erwächst Hilfe, allerdings muss sie auch für diese Unterstützung  zahlen, nur nicht mit Geld.
Seit er sie beim Wildern erwischt und ihr danach sowohl eine Angel als auch die Erlaubnis auf seinem Grund zu fischen geschenkt hat, kommt Franz regelmäßig zu Besuch. Was Anfangs lediglich als ein Zweckbündnis erschien, verändert sich mit den Monaten und Marian weiß mit den sie bedrängenden Gefühlen nur schwer umzugehen. Sie hat Angst, vor allem vor Entdeckung und dass sich ihr selbst gewähltes Leben verändern könnte.
Das Buch ist stellenweise sehr berührend, wenn auch manchmal nicht ganz einfach zu lesen. Da die Handlung nicht wirklich chronologisch erzählt wird, sondern der erzählende Monolog, der eigentlich nur ein Gedankenfluss ist, immer wieder zwischen dem Hier und Jetzt und Marians Erinnerungen an ihr früheres Leben wechselt, habe ich manche Passagen durchaus zweimal gelesen.
Unwillkürlich werden an manchen Stellen Marians Gedanken zu eigenen und ich habe mich gefragt, was es wirklich für ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben braucht. Sind es tatsächlich materielle Errungenschaften oder all die Spielereien der Technik, die uns heute das Leben vermeintlich leichter, bequemer, schöner machen?  Sind es die angesagten und teuren Schuhe, Taschen oder Kleider? Sind es Statussymbole wie Auto oder Wohnung? Und was bedeutet eigentlich Reichtum?

Dem geneigten Leser ist dieses Buch gern bereit Antworten zu geben. Oder gibt man sich diese Antworten nicht vielleicht selbst?