Rezension

Ein düstergoldenes Buch – mit blauem Cover

Ravinia
von Thilo Corzilius

Bewertet mit 4.5 Sternen

Als ich das Cover zum ersten Mal sah, dachte ich im ersten Moment der nächste Teil der uralten Metropole von Christoph Marzi sei erschienen, sind der Farbton und der übergroße Mond doch sehr auffällig und prägnant für diese Serie. Doch Ravinia ist nicht nur äußerlich den Werken Marzis ähnlich, auch auf der Buchrückseite wird geworben mit: „Für alle Fans von Christoph Marzi“. Das Genre, Urban Fantasy, ist ebenfalls gleich. Bei all diesen Merkmalen liegt es nahe auch in einer Rezension diesen Vergleich zu ergründen.
Ravinia liest sich tatsächlich ähnlich wie ein Buch von Christoph Marzi. Die Worte sind irgendwie beflügelt, sehr bildhaft und mit allerlei Adjektiven geschmückt. Jedoch schafft es Corzilius dabei nicht ins Schwafeln zu verfallen wie Marzi es meiner Meinung nach manchmal tut. Das Buch ist auch bedeutend kürzer als z.B. Lycidas, dem es so ähnlich sieht. Dadurch büßt Ravinia etwas an der Ausführlichkeit der Stadtbeschreibungen ein, was ich sehr schade finde, da ich immer wenn ich London oder die Namen seiner Stadtteile höre unmittelbar an Lycidas denken muss. So steht es unentschieden. Eine Sache fand ich an Ravinia jedoch wirklich gut und erfrischend. Die Hauptperson ist gerade mal 16 und im besten Alter um für alle hübschen Jungs zu schwärmen, die ihr über den Weg laufen. Und selbstverständlich laufen ihr im Buch derer zwei über den Weg: der nur ein halbes Jahr jüngere Lee und der 15 Jahre ältere, geheimnisvolle Tom. Zwei potentielle Kandidaten und was passiert? Nichts. Keine Verliebtheit oder gar der Anfang einer Beziehung. Es entsteht lediglich eine Freundschaft, die erst einmal auf Vertrauen basiert. Ohne Zwänge einer frischen Liebe. Kam es mir bei Marzi teilweise so vor, dass er zwanghaft irgendwo noch eine Liebelei einbringen wollte, verzichtet Corzilius hier gänzlich darauf. Ich vermute mal, dass, wenn es eine Fortsetzung geben sollte, was noch nicht bekannt ist, durchaus auch Liebe ein Thema sein wird, doch dann ist es vollkommen in Ordnung, gab es doch genug Vorlaufzeit.
Die Hauptfigur Lara ist gut ausgearbeitet und sie agiert authentisch. Wirklich schön ist, dass sie ihre eigene Vergangenheit durch das Tagebuch ihrer Mutter erfährt, welchem ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Ihr Mentor und ihr Großvater wissen mehr, als sie verraten wollen und als doch mal eine Bombe platzt, ist der zeitliche Ablauf Laras Reaktion sehr schön gestaltet. Ohnehin haben alle Charaktere eine Vergangenheit, die sie selbst noch nicht preisgeben wollen und selbst noch nicht wissen und dies macht das Buch sehr spannend und mysteriös. Da nicht alles zur Gänze aufgelöst wird, erwartet man praktisch eine Rückkehr nach Ravinia. Außerdem liefert die Stadt Ravinia und die vielfältigen Fähigkeiten, die die Menschen dort besitzen ausreichend Stoff für Fortsetzungen und auch mit dem Ende des Buches hat Corzilius sich ein Hintertürchen für dergleichen offen gelassen.
Fasst man die komplette Handlung zusammen, liest sie sich wie ein Gemisch aus allerlei bekannten Stoffen: Der Bösewicht erinnert durch das Verschwinden und die Folgen des Wiederauftauchens an Lord Voldemort aus Harry Potter, das Vorhandensein eines väterlichen Mentors an Lycidas, die gesamte Rahmenhandlung – obwohl sie gänzlich neu ist – irgendwie an Malfuria. Doch Corzilus nimmt diese ganzen Annspielungen und drückt ihm seinen eigenen Stempel auf, was vor allem an der Sprache liegt. Ich hätte mir an manchen Stellen der Handlung etwas mehr Ausführlichkeit und Spannung gewünscht, dennoch hat mir das Buch sehr gut gefallen.
Ravina ist ein Buch, bei dem man sein Notizbuch für Buch-Zitate nicht weit weg legen darf, denn es bietet eine Fülle.
Mir persönlich hat gefallen, dass Corzilius auch Zitate verwendet und zwar nicht nur vor Kapitelanfängen, sondern auch innerhalb des Textes. Dass er dabei auch meinen Lieblingssänger zitierte und dabei mir bei einem auch noch ein Rätsel aufgab, gefiel mir natürlich besonders gut. Solche Liedzitate schaffen Atmosphäre, da man durch das Lied in die Geschichte eintauchen kann, doch problematisch wird es, wenn man den Großteil der Lieder nicht kennt (wie häufig bei Christoph Marzi).

Zum Layout: Vor jedem Kapitel ist noch einmal das Cover in s/w abgedruckt mit einer kleinen Zusammenfassung und Kapitelzählung. Die Kapitel selbst beginnen mit Zitaten und innerhalb der Kapitel sind die Abschnitte durch kleine Raben von einander abgesetzt. Dies fördert die Lesbarkeit ungemein und macht es auch hübsch anzusehen. Als Bonus ist im vorderen Teil des Buches eine Karte Ravinias abgedruckt.
Was ich mich beim Lesen häufig fragte, war: Was hat sich der Verlag bloß bei dieser Covergestaltung gedacht? Klar, sie ist auffällig, ansprechend und wirklich hübsch, was Farbe und Motiv angeht, aber sie provoziert nicht nur einen Marzi-Vergleich, nein, dieser Farbton ist das allerletzte! Wie gesagt, die Farbe an sich passt super zum Cover und ist hübsch, doch schon auf der Buchrückseite steht „eine düstergoldene Welt“. Diese Phrase taucht so oft im Buch auf und Laras Leben wird so oft als Herbstregen bezeichnet. Warum ist dieses Cover dann nicht düstergolden-herbstfarben?! Es ist mir ein absolutes Rätsel. Ein Farbton, der zu dieser Beschreibung passt, der hätte den Inhalt des Buches super nach außen getragen, aber dieses kalte blau…

Fazit: Corzilius muss den Vergleich mit Christoph Marzi nicht scheuen! Sicher sind viele Parallelen aufzufinden, doch bleibt er sich treu und schafft eine herrlich düstergoldene Geschichte mit wirklich gut ausgearbeiteten, authentischen Charakteren. Corzilius hat wirklich Talent, das sich nicht nur in seiner Sprachgewandtheit zeigt. Bitte mehr davon!