Rezension

Ein Duftroman

Wilde Minze -

Wilde Minze
von Nina LaCour

Bewertet mit 4 Sternen

Dieser Roman ist wie Minze. Man kann ihn riechen, in fast jeder Sequenz. Im grünen, dichten Wald. Im edlen Restaurant und im Blumenladen. In staubigen Häusern, die gerade renoviert werden. Fast schade, dass es kein richtiges Duftbuch ist. Dafür ein starker Roman zwischen Coming-of-Age und Gegenwartsliteratur für late 20s und early 30s. Oder alle, die diese Art von Literatur mögen. Mit einem kleinen Wermutstropfen.

„Wilde Minze“ begleitet zwei Frauen auf ihrem Weg. Sara flüchtet aus ihrer White Trash-Heimat, nachdem ihre Freundin tot aus dem Fluss gezogen wird. Sie trampt mit einem Jungen nach Los Angeles und versucht Fuß zu fassen. Emilie wechselt ihre Studienfächer immer kurz vor dem Abschluss und jobbt als Blumenbinderin in einem der angesagtesten Restaurants der Gegend, dem Yerba Buena – dem spanischen Namen der titelgebenden wilden Minze. Sie begegnen sich kurz, verlieren sich dann aber aus den Augen. Emilies Romanze mit dem verheirateten Restaurantchef spielt hier eine Rolle. Aber auch, dass Sara plötzlich ihren Bruder aufnehmen muss – und dann zu einem Trip in ihre Heimatstadt gezwungen wird.

Nina Lacour schreibt wunderschön, ihr gelingt, wie schon in „Alles okay“ eine wundervolle Atmosphäre aufzubauen. Ihre Figuren werden liebevoll gezeichnet, die Stimmung der Familien perfekt dargestellt. Und auch in die Settings – Saras Elternhaus, Emilies kleine Wohnung, das Yerba Buena – kann sich mit Leichtigkeit eingefühlt werden. Der Roman liest sich extrem leicht, ein echter Pageturner. Aber – es gibt ein kleines Aber. Im NDR Bücher-Podcast Eat Read Sleep poppt manchmal ein kleiner Kommentar auf, der mich bislang immer kalt gelassen hat, hier aber latent auf meiner Schulter saß und mir ins Ohr flüsterte: „Glaubst du das?“

Und komischerweise gibt es vieles, das total realistisch ist, das extrem nachvollziehbar und echt ist. Bloß Emilies sehr schnelle Berufung in der zweiten Buchhälfte, ihr beruflicher Erfolg, der doch ein eher zentrales Element gegen Ende ist – der ist, obwohl er schlüssig hergeleitet wird, etwas too much. Das hat mich mehr gestört als es sollte, dass so auf ein hübsches Ende zugesteuert wird. Natürlich Jammern auf hohem Niveau und bloß der Grund, warum es am Ende nicht für ein 5-Sterne-Buch reicht, sondern nur für ein sehr gutes mit 4 Sternen. Ein schönes Buch zum Jahresabschluss – oder für den literarischen Start ins neue Jahr.