Rezension

ein dunkles Familiengeheimnis

Das Elfenbeinzimmer - Laila El Omari

Das Elfenbeinzimmer
von Laila El Omari

Bewertet mit 5 Sternen

~"Ich bin ein alter Mann in einem sehr alten Haus. Wir haben unsere Erinnerungen."

Nach dem Tod ihrer Mutter bricht Jana alle Brücken ab, packt sich ihre 16 jährige Schwester und zieht zu ihrem "Noch"-Ehemann nach Marokko. Hier möchte sie zum einen ihrer Ehe noch eine Chance geben und zum anderen hat sie vor den Stoffhandel ihrer Mutter dort aufzubauen und das Geschäft mit frischen, unkonventionellen Ideen endlich wieder profitabel zu machen und sich so auch eine, von Joaquin unabhängige, Existenz zu schaffen.

In Ceuta angekommen übt der palastartige alte Familiensitz der Mariscals eine seltsame Faszination auf die Schwestern aus, denn er ist wunderschön hat aber zugleich etwas unheimliches. Das Haus besteht aus scheinbar unendlich vielen Räumen, Zimmerfluchten, Irrwegen und Täuschungen. Ein Labyrinth aus mit Spiegelmosaiken verzierten dunklen Gängen, Nischen und verschlossenen Türen.

...und einem uralten grausigen Geheimnis, das über Jahrhunderte hinweg wie ein Bann über der Familie liegt.

Was ist in den 70iger Jahren geschehen, dass Alejandro und seinen Bruder so entzweit hat? Und warum begegnet Joaquin seinem Vater mit so einer Kälte und Distanz? Hat es wirklich etwas mit den Geschehnissen aus dem 17. Jahrhundert zu tun?

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Dieses Buch hat mich auf Schlag verzaubert und entführt! Und das gar nicht mal so sehr - wie zuerst angenommen - in die bunte schillernde Welt Marokkos, sondern ich wurde gefangen gehalten in einem uralten, faszinierenden Haus, mit einer immer noch präsenten und unheimlichen Vergangenheit.

Laila El Omari beweist vor allem ein tolles Gespür für Atmosphäre und bildhafter Beschreibung, so dass ich sowohl die klingenden Glöckchen und Schatten vorbeihuschender Berbermädchen sah, sich die Ruhe der Essenszubereitung auf mich übertrug und mir der Duft von frisch zubereitetem Couscous in die Nase stieg. Großartig! Dabei ist ihr Schreibstil immer sehr flüssig, klar und unverkitscht.

Dazu kommt noch eine, von der Thematik her wohl eher ungewöhnliche, aber dafür umso fesselndere und schockierende Familiengeschichte. Die Geschehnisse um 1608 wie auch die Geschichte Alejandros und seines Bruders werden in sehr kurzen Rückblenden immer wieder eingeflochten. Dadurch bekommt das Buch stellenweise etwas ziemlich Düsteres und das fand ich überaus spannend und faszinierend.

Mir haben auch die Charaktere sehr gefallen. Sie sind mit Tiefe und viel Liebe zur Persönlichkeit ausgearbeitet. Ich hatte von allen ein ganz klares, wenn auch nicht immer schönes, Bild vor Augen. Die beiden Schwestern sind sehr unterschiedlich und es ist interessant mitzuerleben, wie sie an der neuen Situation in einem fremden Land wachsen und damit umgehen.

Fazit:  Wer düstere Häuser und noch dunklere Familien-geheimnisse mag, der sollte sich umgehend auf die Reise ins marokkanische "Elfenbeinzimmer" machen. Wer bislang mehr die locker leichte L&L Variante mit reiner Liebesgeschichte bevorzugt hat, der sollte sich bewusst sein, dass dieser Roman tiefer geht