Rezension

ein dunkles Kapitel Deutscher Geschichte

Sei ganz still
von Sebastian Thiel

Bewertet mit 5 Sternen

Sebastian Thiels Noir-Krimi "Sei ganz still" entführt uns in das Jahr 1938. Hitler ist an der Macht, die Enteignung und Verfolgung von Juden hat bereits begonnen, es ist die Zeit des Vorabends des zweiten Weltkrieges.

Friedrich Wolf, ehemaliger Polizei Obermeister aus Düsseldorf, befindet sich seit einem halben Jahr im Strafgefangenenlager Aschendorfermoor, wo er neben vielen politisch Inhaftierten einsitzt. Wolf wird Korruption, Machtmissbrauch, Umtrieb mit Huren und zwielichtigem Gesindel vorgeworfen, beim Torfstechen hat er jede Menge Zeit nachzudenken. Er ist den Schikanen und körperlichen Züchtigungen der Kapos und  vor allem SA Scharführer Brammel hilflos ausgeliefert. Wieder einmal wird er grundlos mit der Peitsche geschlagen.

Als er Mitten in der Nacht geweckt wird, glaubt er im ersten Moment, dass sein letztes Stündlein geschlagen hat und Brammel ihn diesmal umbringen wird. Doch er wird von dem SS-Arzt Dr. Kampa erwartet, der ihm einen Deal vorschlägt. Gemeinsam fahren sie nach Düsseldorf auf einen Friedhof. In einem Grab soll die Verlobte Kampas liegen, doch als das Grab geöffnet wird enthüllt es den Leichnam einer alten Frau. Kampa ist überzeugt dass seine Charlotte noch am Leben ist. Wolf, der sich in Düsseldorfs Unterwelt bestens auskennt und Beziehungen hat soll sie für ihn finden, im Gegenzug werden alle Beschuldigungen gegen ihn gelöscht und er ist ein freier Mann.

Der "böse Wolf" wie Wolf Spitzname lautet, macht sich auf zu seiner ehemaligen Geliebten Helene, die in Düsseldorf ein Bordell betreibt. Ungewöhnlich, dass zwischen den beiden ein Verhältnis fast wie zwischen Eheleuten herrscht. Nachdem Helenes erste Wut verraucht ist, verspricht sie ihm zu helfen. In Helenes Haus trifft er auf die junge Prostituierte Klara, die ihm den Kopf verdreht.

Dies ist der zweite Krimi, den ich von Sebastian Thiel gelesen habe. Wie schon in "Uranprojekt" war ich nach den ersten Seiten gebannt, tief in der Handlung drin. Er lässt die Zeit vor Beginn des Krieges aufleben, hat akribisch recherchiert, so dass die Handlung authentisch erscheint. Die Angst der Menschen, die Verfolgung der Juden und die Allmacht der SS wird nur allzu deutlich.

Im Mittelpunkt der Handlung steht Wolf, der eigentlich nicht der böse, sondern der einsame Wolf ist. Seine Kindheit hat ihn geprägt. Nachdem die Mutter die Familie verlassen hat hatten er und sein Bruder unter der Gewalt des Vaters zu leiden. Nach dem Tod des Bruders bekam Wolf allein die Schläge ab. Das hat ihn geprägt, zu dem Mann werden lassen der er jetzt ist. Ruhelos, gewaltbereit, doch im Inneren hat er ein gutes Herz und ist ein ehrlicher Kerl. Deswegen vertraut er Kampa auch nicht blind, sondern bildet sich sein eigenes Urteil. Bei seiner Suche nach Charlotte lernt er auch  Dr. Jaensch kennen, einen Kollegen und Feind Kampas.

Die Handlung streift ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte, beim lesen wird klar wie gut der Autor recherchiert hat. Personen und Umgebungen sind plastisch dargestellt, mein Kopfkino war von Anfang an präsent. Besonders gut hat mir gefallen, dass ich mich beim lesen tatsächlich in der Zeit zurückversetzt fühlte, diese bedrohliche Atmosphäre und die Angst der Menschen spüren konnte. Es gibt einige Überraschungen, falsche Fährten, die Spannung steigert sich kontinuierlich, um am Ende in einem Showdown zu gipfeln.

Fazit: Das Buch hat mir sehr gut gefallen und ist schon durch die Zeit, in der es spielt, etwas Besonderes. Wolf ist mir trotz seiner Härte sehr sympathisch geworden, ich würde gern eine Fortsetzung mit ihm lesen.