Rezension

ein durchaus gelungener Perspektivenwechsel

Die Versuchung der Zeit - Myra McEntire

Hourglass, Die Versuchung der Zeit
von Myra McEntire

Zitat:
„Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass wir bis Halloween Zeit haben, um ihn zu finden. Ich fürchte, dass die Welt, wie wir sie kennen, bis dahin vielleicht gar nicht mehr existiert.“
(S. 118)

„Ich hatte eine Heldentat vollbracht.
Acht rein platonische Stunden mit einem Mädchen im selben Schlafzimmer.“
(S. 217)

„Der Moment, wenn der Sand durch die Öffnung der Sanduhr rieselt und Zukunft zur Vergangenheit wird. Da müssen wir leben, Kaleb. Bevor der gesamte Sand durchgelaufen ist. Und bevor jemand alles wieder durcheinander schüttelt.“
(S. 260)

Inhalt:
Kaleb ist auf einer Kostümparty, als es erneut passiert: Schleier, Portale in eine andere Zeit, hängen in der Luft, ein Zeitriss war entstanden, was Kaleb trotz seiner „Begabung“ erst seit kurzem mit eigenen Augen sehen kann.

Mit der Berührung eines Zeitlosen, die in diesem Zeitriss gefangen sind, löst sich die Szenerie auf. Nicht jedoch, wer kurz darauf auf der Bühne auftaucht: Jack Landers.

Wenig später erhält Kaleb eine Nachricht: Das Raum-Zeit-Kontinuum ist gestört. Der Bote der Nachricht zerrt Emerson in den Schleier, unerreichbar für Kaleb. Er berichtet, dass nicht Jack allein für die Störung der Zeit verantwortlich ist, ein Problem, das Hourglass nicht alleine korrigieren könne. Poe, der Bote, verlangt, dass Kaleb und der Rest von Hourglass auf die Suche nach Jack Landers gehen. Nur gemeinsam können sie alles wieder in Ordnung bringen. Andernfalls wird die Zeit zurückgespult werden und die Zeitachse vorherbestimmt. Mit der Konsequenz, dass viele der wieder Lebenden tot sind und Em sich in einer psychiatrischen Anstalt befinden wird.

Diese Folgen gilt es zu verhindern. Das Ultimatum läuft bis zum 31.10., die Zeit drängt. Liam, Kalebs Vater, und Michael wollen den Rest von Hourglass aus der Suche heraushalten, Em hat aber ganz andere Pläne. Und in denen spielt Lily eine große Rolle…

Meinung:
Mir hat Band 1 der Hourglass-Reihe bereits sehr gefallen, ich fand die Zeitreise-Idee, gepaart mit den „übernatürlichen“ Kräften der Hourglass-Mitglieder sehr spannend und war somit natürlich gezwungen, auch die Fortsetzung zu lesen.

Was mir gleich von Anfang an sehr gut gefallen hat, war, dass dieser zweite Teil aus Kalebs Ich-Perspektive (in Vergangenheit) geschrieben ist. Er war mir bereits in „Hourglass – die Stunde der Zeitreisenden“ durch seine Sprüche und sein überzogenes Selbstbewusstsein aufgefallen.

Dass er weiterhin ein Humor-Garant ist und weiblichen Wesen alles andere als abgeneigt ist, zeigt bereits der Einstieg in die Geschichte und die vergeblichen Flirtversuche mit „Tigerlily“, wie er das kostümierte Mädchen nennt, die im Gegensatz zu allen anderen Frauen, nicht auf seine Sprüche hereinfällt. Auch wenn Kaleb sie danach vor Jack Landers beschützt, steigt er nicht in ihrem Ansehen. Umso schlimmer ist die Tatsache, dass Tigerlily DIE Lily ist: Emersons beste Freundin. Emerson, mit der er auf besondere Art verbunden ist und die bei jeder gemeinsamen Begegnung mit ihrem Michael für ein gewisses Ziehen in Kalebs Brust sorgt. 

Da kommt eine gemeinsame Aufgabe doch gerade recht. Denn schließlich hat Lily ein Händchen dafür, Dinge aufzuspüren. Und auch wenn die beiden sich definitiv nicht mögen, keimt doch etwas in ihnen, was niemand geahnt hätte. Nichts beschreibt die beiden besser als der Spruch: „Was sich liebt, das neckt sich.“
Und wer mich kennt weiß, wie sehr ich den Schlagabtausch dieses Neckens immer genieße. So war der humorvolle Teil der Geschichte bereits gut abgedeckt.

Durch Kalebs Perspektive erhält der Leser einen ganz neuen Einblick in die Geschehnisse aus Band 1. Diese lassen ihn wesentlich weniger oberflächlich erscheinen und bieten einen Blick unter die raue Schale. So entwickelte sich mein Bild über ihn bereits durch den Perspektivenwechsel von Band 1 zu diesem zweiten Teil sehr ins Positive, während der Geschichte rückte er aber sogar noch mehr ins rechte Licht. Er wächst an der Verantwortung und entdeckt ganz neue Seiten an sich, nicht nur, was das andere Geschlecht angeht.

Lily, die im ersten Band nur eine Nebenrolle einnahm, ist eine der wenigen, denen sich Kaleb nach und nach offenbart. Dass sie aber im Laufe des Buches eine so zentrale Rolle einnehmen würde, hatte ich zu Beginn nicht annähernd vermutet. 

Myra McEntire entführte mich wieder in ihre Welt der Zeitreisen, obgleich in „Die Versuchung der Zeit“ keiner wirklich durch die Zeit reist. Eher reist die Zeit auf die Charaktere zu. Die Zeitrisse werden häufiger, die Bedrohung steigt daher zusehends. Es fällt schwer, Realität von Zeitriss zu unterscheiden, die Kulissen werden größer und größer. Scheinbar gibt es nur eine Möglichkeit, das Ganze zu unterbinden. Doch die Zusammenarbeit mit demjenigen, der bereits für mehrere Tode verantwortlich ist, für Manipulation gesorgt und Schicksal gespielt hat, ist gar aussichtslos. Aber Jack Landers ist nicht die einzige Bedrohung. Chronos hat ebenso großes Interesse an bestimmten Hourglass-Mitgliedern wie Jack. Nur warum?

Nach dem leichten Einstieg, der mir die Erinnerung an die Geschehnisse aus dem ersten Teil zurückgab, zog die Spannung unaufhaltsam an. Mit jedem Zeitriss, immer neuen Überraschungen, plötzlich auftauchenden Zeitlosen und unerwarteten Wendungen fesselte mich die Autorin an ihre Geschichte. Der einfache Schreibstil und die vielen Dialoge machten es mir leicht, mich immer tiefer eintauchen zu lassen. Aus Mangel an exotischer Materie war leider keine direkte Zeitreise mehr möglich, jedoch haben die Charaktere noch lange an deren Folgen aus Band 1 zu knabbern.

Das Ende schloss den Haupthandlungsstrang dieses zweiten Bandes wunderbar ab, das große Ganze bleibt wie erwartet noch offen und ich freue mich bereits auf den nächsten Teil.

Urteil:
Myra McEntire hat mit „Die Versuchung der Zeit“ eine fantastische Fortsetzung geschaffen. Die erhofften Zeitreisen bekam ich zwar nicht, dafür aber Zeitrisse, die mich sehr gut unterhalten konnten. Neue Erkenntnisse über die Charaktere des ersten Teils, insbesondere Kaleb und Lily, konnten mich überzeugen und teilweise beinahe genauso überraschen wie ihre Entwicklung. Für die locker-leichte Unterhaltung gibt es von mir sehr gute 4 Bücher.

Ein Muss für Fans des Serien-Auftakts, insbesondere für alle Kaleb-Schwärmer: Mehr Sprüche, viel nackte Haut und sogar echte und tiefgründige Emotionen warten auf euch.

Die Serie:
Hourglass 1 – Die Stunde der Zeitreisenden
Hourglass 2 – Die Versuchung der Zeit
Originaltitel: Infinityglass

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