Rezension

Ein echter Ostsee-Pageturner

Ostseefinsternis -

Ostseefinsternis
von Eva Almstädt

Bewertet mit 4 Sternen

Mit >Ostseefinsternis<, dem inzwischen 19. Band der Pia Korittki-Reihe, legt Eva Almstädt in gewohnt guter Manier erneut einen echten Pageturner vor, den mensch nicht mehr aus der Hand legen möchte.

Mit >Ostseefinsternis<, dem inzwischen 19. Band der Pia Korittki-Reihe, legt Eva Almstädt in gewohnt guter Manier erneut einen echten Pageturner vor, den mensch nicht mehr aus der Hand legen möchte. 

Wie gewohnt startet es spannend in Eva Almstädts neuem Ostseekrimi >Ostseefinsternis< und doch wird auch sofort mit unserer Erwartungshaltung gespielt. Stella Böttcher wird nachts auf dem Nachhauseweg überfallen und misshandelt – wider Erwarten überlebt sie den Angriff jedoch relativ unbeschadet (wir haben also gar keine Leiche) und führt uns in die Geschichte einer alten Familienfehde zwischen den „Böttchers“ und den „Hagendorfs“. Ein Inselklassiker :-D In diesem Zusammenhang feiere ich extrem die Aufmachung des Buches mit dem eingefalteten Buchdeckel, hinter dem sich die Stammbäume und Familienkonstellationen der Böttchers und Hagedorns verbergen und so einen guten Überblick geben – die lesende Person wird den Stammbaum mehrfach heranziehen, so kompliziert ist die Gemengelage und auch Pia selbst stöhnt in der Mitte des Buches auf und wünscht sich genau eine solche Grafik, ein schöner Binnenwitz. 

Was also hat es auf sich mit diesem Überfall? Almstädt liefert uns auf den ersten Seiten direkt eine Vielzahl von Motiven und Verdächtigen, schafft es für mich aber dennoch gut, dass mensch all die Namen und Personen einsortieren kann und ein Bild von ihnen bekommt. Über all dem wacht die Familienchefin Helmgard, die vielleicht im physischen Sehen eingeschränkt ist, ansonsten aber vielmehr sieht, als manch anderer.

Und Pia? Kämpft erst einmal mit ihrem Privatleben, mit ihrem Sohn Felix, der Angst vor tiefem Wasser hat (wie ungünstig, wenn man in Lübeck, genau zwischen Nord- und Ostsee lebt), dem sie noch irgendwann irgendwie erklären muss, dass eigentlich Marten, ihr Freund, sein Vater ist, mit dem Urlaub, den sie tatsächlich mal machen kann, und von dem wir schon ahnen: Das wird nix. 

Der Schreibstil ist, wie immer bei Almstädt, einfach super, genau die richtige Menge an Details, unterlegt mit einem feinen Humor, sehr gute, unaufwändige, oft indirekte, also eher durch die Wirkung auf das Gegenüber erzählte Figurencharakterisierungen und ein spannungsgeladener Faden, der sich durchzieht.

Während sich Pias Konflikt mit sich selbst vertieft, zum einen die Traumatisierung, zum anderen ihre Besessenheit von ihrem Beruf, die es ihr fast unmöglich macht, abzuschalten und dann noch die innere Not, ihrem Sohn zu erzählen, wer wirklich sein leiblicher Vater ist, kommt es nach knapp 50 Seiten dann auch zum Mord.

Wie immer findet Almstädt die genau richtige Dosis zwischen Privatleben der ermittelnden Personen und Handlung des Falles. Und wer das Leben auf dem Dorf kennt, der weiß: Hier ist jede:r mit jede:m verstrickt, so dass sich die Verdächtigen munter die Klinke in die Hand geben und die Verwirrung immer mehr steigt. Hier hätte fast jede:r ein Motiv, was die Mörder:innensuche extrem spannend und vielfältig gestaltet über lange Strecken des Buches. Almstädts flüssiger Schreibstil und ihr herrlicher Humor tun ein Übriges und drumherum immer präsent: Die Ostsee.

Am Ende wurde es für mich leider an einigen Stellen unplausibel und die ermittelnden Personen standen doch mehr auf dem Schlauch, als ich es ihrer Intelligenz und Erfahrung zutraue, dann noch ein retardierendes Moment, das zuvor für mich nicht wirklich sauber aufgebaut wurde und auch kaum Handlungsrelevanz hatte. So hat mich Almstädt trotz eines wirklich 1A rasanten Showdowns dann doch ein bisschen verloren auf den letzten Metern, weswegen es nicht ganz für die 5 Sterne reicht, die ich dem Buch über weite Strecken gern gegeben hätte. Dennoch in jedem Fall ein absolut lesenswerter Krimi, für den mensch sich am besten ein Wochenende nichts vornimmt, denn aus der Hand möchte mensch ihn nicht mehr legen!

Ein großes Dankeschön an lesejury.de und Bastei Lübbe für das Rezensionsexemplar!