Rezension

Ein eindringlicher, verstörender, wahnsinniger Roman

Die wunderbare Kälte -

Die wunderbare Kälte
von Elisabeth Rettelbach

Bewertet mit 5 Sternen

Von „Die wunderbare Kälte“ muss man sich erst mal ein paar Tage erholen, bevor man etwas dazu sagen kann. Für diese Rezension habe ich mich nach dem Lesen zunächst eine Woche sammeln müssen, bevor ich meine Empfindungen in Worte fassen kann. Denn diese Roman geht unter die Haut.

Die junge Maskenbildnerin Kai hat kaum ein nennenswertes Sozialleben und konstruiert ihre Geschichten lieber selbst, als Außenstehende … über Menschen, die sie unbemerkt beobachtet. Sie belässt es aber nicht dabei, sondern interveniert ständig im Leben ihrer Opfer, wird zur Regisseurin zwischenmenschlicher Beziehungen, ohne aus dem Schatten hervorzutreten.

Allein diese vielschichtige, verstörende Figur, durch deren Augen wir als Leser*innen blicken, macht „Die wunderbare Kälte“ zu einem Buch, das einem noch lange nachgeht. Kais Empfindungen sind so echt wie unnachvollziehbar, denn man fühlt sich beim Lesen wie im Kopf einer Psychopathin, mit der man trotzdem auf merkwürdige Art und Weise mitfühlt, sie manchmal sogar versteht. Ihr Handeln folgt keiner rationalen Überlegung, auch keiner echten Emotion, sondern einem irrationalen Trieb, der uns fremd bleibt, aber trotzdem manchmal irgendwie nachvollziehbar wird.

Die stärksten Momente im Roman sind die, in denen wir tatsächlich mit Kai empathisieren. Denn als sie Milo, einem ihrer Opfer, unerwartet näherkommt, schleichen sich da manchmal Gefühle in Kais Stream of Consciousness, die uns nicht fremd sind – aber ihr. Kai wehrt sich vehement gegen ihre eigene Menschlichkeit, die immer wieder zum Vorschein kommt. Aber am Ende muss sie alles kontrollieren, auch sich selbst.

„Die wunderbare Kälte“ von Elisabeth Rettelbach ist ein atemberaubendes Buch, erzählt in eleganter, poetischer Prosa, direkt aus dem Kopf einer schwierigen, fremden, ungewöhnlichen Person. Dieser Roman wird mich lange nicht loslassen!