Rezension

Gratwanderung zwischen Realität und Chimäre

Die wunderbare Kälte -

Die wunderbare Kälte
von Elisabeth Rettelbach

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ein Kippbild aus Faszination und Abstoßung

Die Einzelgängerin Kai hat eine Passion. Sie verfolgt unbekannte Personen und beobachtet sie in ihrem Alltag. Manchmal nur für kurze Augenblick, manchmal länger und erfindet dazu ihre eigene Geschichte. Doch dann bricht sie die Grenze der reinen Beobachtung und beginnt die Menschen mit kleinen Tricks zu manipulieren. Denn Kai führt gerne Regie. Ihr ganz eigenes Spiel beginnt.

Als ihr Tama und Milo begegnen, wird ihr Spiel zur Manie.

 

Kais Geschichte erzählt von ihrer besondere Passion und zieht mich mit wundervollen Worten und teils erschreckenden Taten tief hinein in ihr Inneres.

Erst bin ich mir noch sicher, was ist Handlung, was ist Kais Phantasie und bin fasziniert, wie Kai im Innern die Dinge wahrnimmt und welche Wahrheiten sie daraus kreiert. Doch dann werde ich weggetragen von der ganz eigene Dynamik und Erzählweise der Geschichte. Die Übergänge von Realität und Chimäre werden immer fließender, bis ich irgendwann nicht mehr weiß, ist es wahr oder entspringt es Kais Phantasie. Aber da ist es längst um mich geschehen. Kai hat mich in ihren Fängen und lässt mich mit klopfenden Herzen Zeuge ihrer manischen Handlungen sein.

Herzlos, verrückt, krank ... – dann wieder verletzlich, ängstlich, desorientiert. So abstoßend Kais Handeln ist, so sehr will ich sie auch verstehen – ja fast in Schutz nehmen. Doch ich bin nur Zuschauer und muss geschehen lassen.

Dies ist sicherlich kein Buch für Jederman. Man muss sich einlassen mögen auf die innere Dynamik, das Verschwimmen der Konturen und auf Kai. Für mich hat es sich gelohnt.

Fazit: Ein ganz besonderes Buch für Menschen, die von Innensichten fasziniert sind und keine Angst haben die Orientierung zu verlieren in einer teils poetischen Sprache.

Ich bin froh, Kai kennenlernen zu dürfen.