Rezension

Ein Fall, drei Ansichten - klasse gemacht

Tabu - Tom Finnek

Tabu
von Tom Finnek

Bewertet mit 5 Sternen

George ist vor kurzem aus dem Polizeidienst ausgeschieden und hat sich als Privatdetektiv selbstständig gemacht. Nun erscheint bei ihm Henry Woodlawn, dessen Verlag sich auf SF-Literatur spezialisiert hat. Er möchte, dass George seine Frau Eleanor beschattet, denn er glaubt ihr nicht, dass sie regelmäßig zum Badminton geht.

Der Autor hat einen fesselnden Krimi geschrieben. Erst während des Lesens wurde mir klar, dass ich die Geschichte zweier Morde aus drei unterschiedlichen Perspektiven erzählt bekomme.

So, wie jeder das Geschehen aus seiner Warte beschreibt, so unterschiedlich sind auch die Schriftstile.

Georges Part besteht darin, dass er als Außenstehender in die Handlung gerät und sie aus dieser Sicht betrachtet. Dieser Teil zeichnet sich durch seinen humorvollen Schriftstil aus. Nicht nur George wird durch die Ereignisse überrascht, auch die Polizisten machen keine gute Figur. Außerdem werden hier die Protagonisten vorgestellt und geschickte Hinweise eingestreut, deren Bedeutung mir erst viel später aufgeht. Anfangs haben sie mich auf eine völlig falsche Fährte geführt. Alles beginnt fast auf eine leichte und lockere Art.

Im zweiten Teil kommt Nelly zu Wort. Sie ist Eleanors Freundin und wurde durch diese nicht nur in die Stadt, sondern auch in den Verlag geholt. Der Verlag aber steht auf wackligen Füßen und hofft, sich durch das neue Buch des SF-Autors Tallinn zu sanieren. Die Aufgabe der Verlagsmitarbeiter ist auch, ihn zu hofieren. Sarkastische Blicke auf die Welt der Literaturverlage lockern hier Nellys eher sachlichen Stil auf. Trotzdem beschreibt sie die Vorgänge sehr genau. Einen nicht unwesentlichen Part spielt Namza, ein kleines Mädchen. Sie hat Dinge beobachtet, die nicht für ihre Augen bestimmt waren. In der typischen Art von Kindermund plaudert sie mit Nelly. Dadurch setzt sie ungewollt das Räderwerk der folgenden Ereignisse in Gang.

Den letzten Teil erzählt Greg, Nellys Freund, in Form von Tagebucheinträgen. Das dürfen auch schon einmal kurze Sätze oder nur Wortgruppen sein. Dabei wird deutlich, dass er die Ereignisse kaum noch durchschauen kann.

Durch den Kunstgriff der drei Erzähler löst sich Stück für Stück die Nebelwand über den Geschehnissen. Wie bei einem Puzzle fallen die Teile nach und nach an ihren richtigen Platz , und es entsteht ein abgeschlossenes Ganzes. Die beiden Briefe am Schluss, die fast an schwarzen Humor grenzen, runden die Geschichte gekonnt als Höhepunkt ab.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es war spannend und abwechslungsreich und für manche Überraschung gut. Eine Folge von Missverständnissen, Schweigen statt Aussprache und gewollte oder ungewollte Fehlinterpretationen von Ereignissen bestimmten den Spannungsbogen und führten letztendlich konsequent zur Katastrophe.