Rezension

Ein formidables Abenteuer

Der Schatten des Windes
von Carlos Ruiz Zafón

Funktionieren Bücher über Bücher? Sollten Schriftsteller über Schriftsteller schreiben? Die Antwort ist ein klares und lautes Ja. Zumindest dann, wenn das Ergebnis so aussieht und sich so liest wie "Der Schatten des Windes" von Carlos Ruiz Zafón.

Traurig, aber wahr: Manchmal müssen Autoren erst sterben, um entdeckt zu werden. Mir erging es so mit Carlos Ruiz Zafón: Erst sein Tod vor wenigen Wochen brachte mich dazu, endlich sein bekanntestes Werk „Der Schatten des Windes“ zu lesen.

 

Das Buch erzählt zwei parallele Geschichten: Die des Jungen Daniel Sempere und die von Julián Carax, dem Autor des Buches „Der Schatten des Windes“. Letzteres beeindruckt Daniel so sehr, dass er beginnt, nach dessen Verfasser zu suchen. Was schwierig wird und Jahre dauert: Der Autor ist verschwunden, vermutlich tot, und beinahe alle seine Bücher wurden von einem unbekannten Mann vernichtet, der sich (nach einer Figur aus Carax' Roman) Laín Coubert nennt.

Doch Daniel gibt nicht auf. Jahrelang. Auch älter geworden, fasziniert ihn Carax noch immer. Doch je tiefer Daniel in dessen Lebensgeschichte eindringt, umso mehr gerät er ins Visier des dubiosen Laín Coubert.

 

Zafóns Roman spielt in Barcelona und zieht sich über mehr als vier Jahrzehnte. Die überaus spannend erzählte Geschichte wird überschattet vom spanischen Bürgerkrieg (ab 1936), vom Zweiten Weltkrieg und von der Diktatur Francos.

Das Buch ist ein düsteres Abenteuer mit zwei famosen Bösewichtern, einem großartigen Helden, noch großartigeren „Nebenrollen“ einem fantastischen und fantasievollen Plot voller Überraschungen (inklusive der Entschlüsselung des Buchtitels). Das Ganze hat Zafon gekonnt und liebevoll aus Haupthandlung, Rückblenden, Berichten von „Zeugen“ und entdeckten Briefen und Büchern  zusammenmontiert.

 

Der Leser erhält dadurch eine gelungene Mixtur aus  düsterem Drama, verzwicktem Krimi, mysteriösen Geheimnissen, spannendem Politthriller und anrührend tragischer Liebesgeschichte. Darüber hinaus ist „Der Schatten des Windes“ aber auch eine literarische Spielwiese, die sich neben vielen Bestsellern heutiger Tage ausnimmt wie ein farbenprächtig blühender Ackerrandstreifen neben einem riesigen, aber trostlos eintönigen Maisfeld.

 

Wie gut, dass Zafons Romane nicht das Schicksal der Bücher von Carax teilen und verschwanden. Wir können und dürfen sie lesen … und wir alle sollten es unbedingt!