Rezension

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Ein ganz gewöhnlicher Samstag?

Saturday - Ian McEwan

Saturday
von Ian McEwan

“Saturday" von Ian McEwan erschien 2005 im Diogenes Verlag. 

Henry Perowne, 48, lebt als wohlhabender Neurochirurg ein geordnetes und glückliches Leben in London. Er liebt seine Frau Rosalind, sowie die beiden erwachsenen Kinder Theo und Daisy. Doch dieser eine Samstag, der 15.02.2003, entwickelt sich so rasant und soggleich, dass er Perowne für einen Tag in einen Zustand dauerhaften Zweifelns und Nachdenkens versetzt. Ein brennendes Flugzeug über Heathrow, ein BMW ohne Außenspiegel, ein Kleinkrimineller mit Chorea Huntington, der drohende Krieg im Irak...

Ian McEwan schildert in seinem Buch das Erwachen eines wohlsituierten und zufriedenen Mannes in einer Welt, die von Unsicherheit und Paranoia geprägt scheint. Die Anschläge des 11. Septembers haben die internationale Öffentlichkeit in einen Zustand ängstlicher Erwartung versetzt, man erwartet den erneuten Angriff, doch weiß niemand, wann, wo. Der 15.02.2003 ist der Tag der weltweit gößten Prosteste und Demonstrationen gegen die bevorstehende Irak-Invasion. Es ist ein Tag der weltweiten Unruhe. Doch auch Perownes sonst sorgfältig behütete und sichere kleine Welt scheint auseinander zu brechen: er, der korrekte und intelligente Arzt, lässt sich auf eine Streiterei mit einem Kleinkriminellen ein, seine ebenso entfernte wie intelligente Tochter Daisy ist schwanger, sein Haus wird von ebenjenem Kleinkriminellen aufgesucht. Und stetig die Angst, die Furcht vor der Zukunft. 

Der Autor schafft es auf bewundernswerte Art und Weise den Protagonisten Henry Perowne in all seiner Vielschichtigkeit als Arzt, Kollege, Vater und Ehemann psychologisch zu erkunden. Er lässt ihn ebenso über die möglichen Vor- und Nachteile einer bevorstehenden Irak-Invasion nachdenken, als über ein Schubert Trio, dass er auf dem Weg zum Squash hört. Perowne wird dem Leser dabei unheimlich plastisch vorstellbar, eine Art 3D Modell der Gehirne, die er ansonsten operiert. McEwan scheint vollkommen im Besitz sämtlicher sprachlichen Mittel, die er benötigt, um seine Geschichte voranzutreiben. Nie wirkt etwas zu hölzern oder zu überladen, sondern stets so wie der Neurochirug selbst es gedacht haben könnte. Der Plot ist meisterhaft in sich selbst verwebt, es wird lediglich ein Tag im Leben des Protagonisten geschildert, nichtsdestotrotz entwickelt er eine hohe Dynamik und es fällt dem Leser leicht, Perowne und seine Familie in ihrer Lebensweise zu verstehen und ihre Ängste und Sorgen nachzuempfinden. Den realen Hintergrund (Irak-Krieg) und seine auch heute anhaltenden Bedeutung berücksichtigend, schafft es dieser Roman, die Ängste und Gefühle nicht nur Perownes sondern jeden Menschens zu thematisieren. Sind wir alle bedroht? Trachtet jemand nach unserem Leben? Erstaunlicherweise nutzt der Autor niemals schlichte Daten und Fakten, die für oder gegen eine Invasion sprechen. Nein, er lässt uns einfach nur die Gedanken Perownes miterleben, lässt uns dabei sein, wie sich sein Weltbild ein Stück weit verändert, als er an jenem Samstag erschöpft und zufrieden zugleich in sein Bett zu seiner Frau steigt.

”Saturday" von Ian McEwan ist meiner Meinung nach eine sehr empfehlenswerte Lektüre.