Ein gelungenes Aufleben der jüngsten Zeitgeschichte
Bewertet mit 4 Sternen
Brigitte Glaser lässt die Bonner Republik wieder auferstehen. Anfang der 1970iger Jahre, nachdem Brandts Ostpolitik zu einer langsamen Annäherung zwischen West und Ost geführt hat, stellt man sich in der rheinischen Provinz darauf ein, Hauptstadt zu bleiben. Der Bauboom, der wiederkehrend im Roman erwähnt wird, setzt ein. Jedoch ist es nicht nur das Bonner Hauptstadtgeplänkel, sondern auch die Aufbruchstimmung nach Brandts grandiosen Wahlsieg im November 1972. Es ist vor allem die Jugend, die zahlreich hinter dem Demokraten und Widerstandskämpfer Brandt steht. Die Zeichen stehen auf Veränderung.
Wunderbar inszeniert Brigitte Glaser einen Mix aus den unterschiedlichen Generationen. Die jungen Leute wohnen in einer WG und versuchen im kleinen, privaten Umfeld Demokratie und Gleichberechtigung zu leben. Auf der anderen Seite die Kriegsgeneration, erzogen zum Gehorsam und zum Durchhalten. Dabei treffen im Roman Welten aufeinander.
Die Geschichte kreist um die wenigen Wochen am Jahresende 1972, in denen die Koalitionsverhandlungen ohne den wirklichen Sieger Willy Brandt stattfinden müssen, da dieser wegen einer Stimmband OP im Krankenhaus verweilt und nicht sprechen darf. Es wird deutlich wie dicht Sieg und Niederlage in der Politik beieinander liegen und wie schnell man ins Abseits geraten kann. Es ist ein herrlich verwobener Roman, der es versteht politische Geschehnisse Es ist ein herrlich verwobener Roman, der es versteht, politische Geschehnisse mit dem Leben der normalen Bürger zu verbinden und eine Zeit beleuchtet, in der vieles, was heute selbstverständlich scheint, noch täglich von neuem erkämpft werden musste. Ein gelungenes Aufleben der jüngsten Zeitgeschichte.