Rezension

Ein Genusskrimi verkommt zu einem drittklassigen Agententhriller.

Gefährliche Empfehlungen - Tom Hillenbrand

Gefährliche Empfehlungen
von Tom Hillenbrand

Bewertet mit 2 Sternen

Marionettenhafte Figuren, konstruierte Handlung. Dürftiger Agentenschinken statt des süffigen Genusskrimis. Hab mich so gelangweilt! Schade.

In der Folge 5 der Reihe mit dem luxemburgischen Koch Xavier Kieffer ist der angeschlagene Kurs, den man aus vorigen Folgen kennt, völlig verändert worden. Wenn man in früheren Kieffer Krimis eine Art Enthüllungsjournalismus in unterhaltsamer Form zum jeweiligen Thema, wie z.B. Olivenöl und brisante Details um seine Produktion und Vertrieb (Folge 4) oder Thunfisch (Folge 2), genießen konnte, wurde hier etwas ganz anderes, was kaum in den Gastrobereich fällt, zum Gegenstand der Ermittlungen, und man durfte sich als Fan der Reihe veräppelt fühlen.

Französische Politik und franz. Präsident Francoise Allegrét, den man schon aus der zweiten Folge kennt, spielt hier schon fast eine zentrale Rolle, was dem Ganzen nicht guttut. Spannung? Fehlanzeige.

Es gibt zwei Erzählstränge: in der Gegenwart sucht Kieffer nach verschwundener Ausgabe von Gastroführer Gabin aus dem Jahr 1939. Es gibt einen toten Bibliothekar, Kieffer wird verfolgt. Der abwechselnd erzählte Strang, der eher für Verwirrung sorgte, ist im zweiten Weltkrieg angesiedelt. Dort wird man mit Schilderungen des Alltags der Soldaten in Frankreich „beglückt“. Die Figuren blieben schemenhaft und ihre Gespräche, viel mehr war nicht dabei, nicht mehr als ein Geplänkel. Am Ende kommen die beiden Stränge mehr oder minder zusammen.

Ich muss sagen, dass ich mich für diesen Kurswechsel gar nicht begeistern konnte. Meine frühere Begeisterung für die Reihe war völlig hinüber. Gastroteil ist eher ein Beiwerk, eine Alibiveranstaltung, um einen dürftig zusammengebastelten Agentenroman noch als Folge der früheren Krimis mit dem luxemburgischen Koch aussehen zu lassen.

Manche Elemente wie Verbrennung der Bücher und die bösen Russen muten ganz anders an und man fragt sich, ob man diese wenig rühmliche Gegebenheiten (Bücherverbrennung von Nazis und Kalter Krieg der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts) wieder aufleben sollte, selbst in leicht abgewandelter Form und auf den Seiten eines drittklassigen Agentenkrimis. Eine Aufwertung des Plots, der so oder so arg zusammengebastelt wirkt, war es wohl kaum, genauso die Figur des franz. Präsidenten als Verschnitt aus dem Vorigen und Gegenwärtigem, aber in der Schwulvariante, der wie ein Wahnsinniger nach Macht strebt.

Diese Einfallslosigkeit, die einen durch den Roman begleitet, ist schon erschreckend. Man braucht sich nicht zu wundern, dass die Auflösung entsprechend ausfällt. Fragen der Glaubwürdigkeit tauchen dabei hartnäckig auf. Um das Ganze noch „abzurunden“, gibt es seitenlange Erklärungen, wie die großen Bibliotheken funktionieren und wie man dort Recherche betreibt. Das ist eigentlich das Interessanteste an dieser Folge. Selbst bei den Figuren, die man in den vorigen Fällen witzig und sympathisch fand und sich auf das Wiedersehen freute, konnte kein Funke rüberspringen. Sie blieben blass und marionettenhaft.

Die Sprache ließ mich auch oft genug zusammenzucken. „War“ ist wohl das liebte Wort des Autors. Insb. Kap. 10 trieft davon.

Ich musste öfter Pausen einlegen. Solche Krimis sind sonst in ein- zwei Lesesitzungen durch. Dieser hier zog sich aber über mehrere Tage und ich musste mich motivieren, das Buch wieder aufzunehmen.

Fazit: Enttäuschend auf der ganzen Linie. Zu bemüht kommt mir dieser Agentenkrimi daher. Halbherzig zusammengeflickt und auf die Leser losgelassen. Offensichtlich, dass dem Autor nichts Aufregendes eingefallen war, da musste die Recherche und aktionsreiche Verschnitte aus anderen Agentenromanen herhalten. Mir wäre es viel lieber gewesen, wenn diese Folge in der alten Tradition der Reihe geblieben wäre, sowohl was die Themenwahl, den Aufbau, als auch die Gestaltung der Figuren angeht. Ich bin so enttäuscht, dass ich mich frage, ob ich wieder etwas von dem Autor lesen werde. Ich kenne fast alle seine Werke, die ich sonst recht gut und lesenswert fand, aber nach diesem Flop ist eine längere Pause dran.

E-book,  416 Seiten der Printausgabe.