Rezension

Ein intensiver Einblick in ostdeutsche Lebensweise.

Die Möglichkeit von Glück -

Die Möglichkeit von Glück
von Anne Rabe

Bewertet mit 3 Sternen

Das Cover zeigt ein dem Leser abgewendetes Mädchen in sommerlicher Bekleidung auf einer Schaukel sitzend, hineingeboren in eine Zeit voller Lügen und Verdrängung. Stine ist im vereinten Deutschland nach der Wende auf intensiver Spurensuche besonders in der eigenen Familiengeschichte. In ihren Reflektionen und Nachforschungen geht es um die Aufarbeitung in dem totalitären, autoritären System der ehemaligen DDR mit ihrer systemtreuen Familie, insbesondere mit ihrem Großvater Dr. Paul Bahrlow. Mit dem Fall der Mauer vollzieht sich eine historische Zäsur mit der Möglichkeit von Glück, wie der Buchtitel verrät. Durch die Wende wird hier vieles hinterfragt und gerät im eigenen Wertesystem des bisherigen Zusammenlebens durcheinander. Ihre Vergangenheitsbewältigung ist auch sprachlich verständlich aufgearbeitet. Thematisiert wird die physische, psychische und strukturelle Gewalt in den Familien, in Schulen, auf der Straße, auch mit Neonazis im Osten Deutschlands, selbst nach etlichen Jahrzehnten der Wiedervereinigung. Begriffe wie Jugendwerkhof, Torgau, Hohenschönhausen, Namensweihe, Blockwartmentalität, Jugendweihe, sozialistischen Planwirtschaft, Hakeburg, Junge Gemeinde, staatsnah, Wochenkrippe, Waldsiedlung, Bertolt Brecht etc. werden im Geschichtsunterricht an westdeutschen Schulen sicher nicht so bildlich im ostdeutschen Kontext vorgestellt. Selbst wenn keine Familienbande zu Ostdeutschland vorhanden sind, könnte politisches und geschichtliches Interesse hier geweckt worden.