Rezension

ein langer Kampf geht zuende

Sechs Jahre - Charlotte Link

Sechs Jahre
von Charlotte Link

Bewertet mit 5 Sternen

Ich bin ein absoluter Fan von Charlotte Links Romanen und mit diesem Buch hat sich die Autorin in mein Herz geschrieben. Soviel Einblick in ihr Gefühls,- und Familienleben zu bekommen, wie in diesem Buch, in dem der Leser den langen Kampf ihrer Schwester Franziska gegen eine Krankheit und deren Auswirkungen miterlebt, ist selten und es berührt mein Herz. Denn gerade das man dies öffentlich macht erfordert Mut, sein Herz und seine Gefühle offen zu legen. Ich hoffe für die Schriftstellerin, dass sie sich vielleicht auch ein bisschen frei geschrieben hat von ihrem Schmerz über den Abschied, den sie von ihrer Schwester nehmen musste und der ihr so schwer fiel, dass sie sich nur noch wie ein halber Mensch fühlt.

Franziska, genannt Tschesie, ist Charlotte Links jüngere Schwester, mit der sie sich von Anfang an verbunden fühlte, eine Art Symbiose lebte. Auf Bildern sind die beiden immer zusammen zu sehen und in der Kindheit gab es sie immer nur im Doppelpack. Umso mehr sind Charlotte , aber auch ihre Eltern geschockt, als im jugendlichen Alter bei Franziska die Diagnose Morbus Hodgkin gestellt wird, eine Form des Lymphdrüsenkrebs, die an sich selten vorkommt. Nach einer aggressiven Chemotherapie, die vor allem die Lunge betraf, übersteht Franziska diese Erkrankung. Doch nach über zwanzig Jahren , kehrt der krebs zurück, diesmal im Darm. Und wieder nehmen Franziska und ihre Familie den Kampf auf, dem sie dann letztendlich aber erliegen.

Charlotte Link erzählt die Krankengeschichte ihrer Schwester sehr eindringlich. Den Kampf gegen diese Erkrankung, die vielen Niederlagen die sie erleiden mussten und über den ständigen Begleiter Angst und die Co-Erkrankung der Angehörigen, die genauso, wenn nicht sogar manchmal etwas mehr als der Erkrankte selbst leiden müssen, weil sie hilflos daneben stehen. Diesen Zustand auszuhalten, ist die schwerste Prüfung eines Angehörigen, den ich auch schon selbst erleben musste und deshalb nachfühlen kann. Aber Charlotte Link erzählt auch über Begebenheiten in unserem Gesundheitssystem, die so nicht vorkommen dürften. Wir sind alle Menschen und nur bis zu einer bestimmten Grenze belastbar, aber wer sich für einen Beruf im Gesundheitswesen, speziell im Umgang mit Schwerkranken und ihren Angehörigen entscheidet, hat und das ist jetzt drastisch ausgedrückt, die Pflicht empathisch zu sein. Wer das nicht kann, gehört nicht in den Beruf des Arztes oder der Pflegerin und des Pflegers. Auch wenn der ständige Umgang mit Schwerkranken eine gewisses" dickes Fell " notwendig macht, darf das nicht auf Kosten von Kranken und deren Angehörigen gehen. Auch ein Arzt kann Fehldiagnose stellen, das ist zwar immer gefährlich, aber es kann passieren, aber dann soll man sich verflixt noch mal auch entschuldigen und zu dem stehen was passiert ist und nicht seine Arroganz ausspielen, weil jemand gerade einen Kratzer an den Sockel macht auf dem man steht. Diese ganzen Situationen , die die Schriftstellerin beschreibt ,sind mehr als kontraproduktiv für einen Krankheitsverlauf, denn es geht um den Kranken und nicht um den Prestigeverlust eines Arztes oder die schlechte Laune eines Krankenpflegers/in. Da kann man sich auch nicht mit Stress herausreden, denn man weiß, das einen dies erwarten, wenn man im Krankenhaus arbeitet. Der Dienst am Menschen ist der schwierigste überhaupt und ich habe vor jedem Hochachtung, der dieses Beruf ergreift, aber dann bitte auch zu den Menschen stehen, denn Schwerkranke sind wehrlos und haben verdient geachtet zu werden. Auch die Nachwirkungen von Chemo,- und Strahlentherapie finden hier einen Platz, Auswirkungen, über die ich mir gar nicht so im Klaren war.

Für mich war dieses Buch, das ich übrigens verschlungen habe, eins der besten Bücher der Autorin, da sie Einblick in einen ganz privaten Bereich zulässt, zeigt, wie hoch auch die Belastung für die Angehörigen ist und das in unserem Gesundheitssystem einiges im Argen liegt. Vielleicht sollte man an Unis wieder private Gespräche und Eignungstest einführen, als nur die Note des Abiturs als Kriterium für einen Studienplatz zu Grunde legen. Wir brauchen Menschen im Gesundheitssystem, die für Menschen da sind, Einfühlungsvermögen zeigen und keine kühlen Denker, die nur das Organe eines Menschen sehen und nicht den Menschen in seiner Ganzheit.