Rezension

Ein Leben in den Tiefen des Ozeans

Das Leuchten - Kat Falls

Das Leuchten
von Kat Falls

Bewertet mit 4 Sternen

*Worum geht's?*
Seit einer Umweltkatastrophe, einer riesigen Überflutung, wird der Platz auf dem Land zu knapp für die Menschheit. Daher fassten einige Siedler den Entschluss, die neuesten wissenschaftlichen Möglichkeiten zu nutzen und ein Leben am Meeresboden zu beginnen. Statt ihnen dankbar zu sein, da sie die Welt mit Lebensmitteln versorgen, munkeln und tratschen die "Topsider" über diese Siedler. Kinder, die in ihrer Entwicklung dem Meeresdruck ausgeliefert werden, seien gestört und besäßen "dunkle Gaben", behaupten sie. Ty ist der erste Junge, der im Meer geboren wurde. In drei Jahren, an seinem 18. Geburtstag, wird er sich sein eigenes Land unter Wasser abstecken, denn ein Leben an der Oberfläche ist für ihn undenkbar. All seine Pläne geraten in Gefahr, als Insassen eines Unterwassergefängnisses ausbrechen und überall Schaden anrichten. Die Regierung stellt klare Forderungen: Sollte es den Siedlern nicht gelingen, die Sträflinge zu stoppen, wird sie die Sauerstoffversorgung unterbinden und das Leben im Meer unmöglich machen. Während die erwachsenen Siedler mit der Regierung diskutieren, trifft Ty auf das Topsider-Mädchen Gemma, das in einem blutverschmierten U-Boot im offenen Meer treibt und nach ihrem großer Bruder sucht. Und ehe die beiden sich versehen, wird das Boot von den Sträflingen beschlagnahmt...

*Kaufgrund:*
Dystopien gehören zu den Büchern, die ich immer gerne lese. Diesmal spielt sie sogar unter Wasser! Ich war so neugierig, dass ich mich sofort ans Lesen machen musste!

*Meine Meinung:*
Der Leser wird ohne große Erklärungen mitten ins kalte Wasser geworfen. Wortwörtlich! Der Leser begleitet Ty auf einem Tauchgang, bei dem das erste Mal die "Dunkle Gabe" zur Sprache kommt. Was steckt hinter diesem Mythos, den die Topsider verbreiten, den Ty nicht recht glauben mag? Im weiteren Verlauf trifft Ty auf das verwaiste Mädchen Gemma, und beide erklären sich gegenseitig die momentane Lage. Hier wird der Leser auf den Stand der Dinge gebracht: Die Siedler besitzen unter Wasser riesige Häuser auf einem Gesamtgrundstück von 80 Hektar, während es auf der Oberfläche nur noch Hochhäuser gibt, die sich mit den realen Kapselhotels vergleichen lassen. Ty und die anderen Siedler "leuchten", da sie sich von biolumineszierenden Fischen ernähren, und brauchen Liquigen, das sie in ihre Lungen saugen, um ihre Arbeit unter Wasser verrichten zu können. Insgesamt hat die Autorin sich eine komplizierte, aber verständliche Zukunftsvorstellung ausgedacht, die nicht zu unglaubwürdig erscheint - zumindest, was den Platz auf unserem Planeten und den ansteigenden Meeresspiegel angeht.

Durch die vielen und langen Erklärungen wirkt der Roman anfangs etwas langatmig. Man lässt sich zwar gerne in diese dystopische Welt entführen, doch die Handlung schläft dadurch etwas ein. Nachdem das erste Drittel überstanden ist, schließt ein nervenaufreibendes Geschehnis nahtlos an das nächste an. Die Ereignisse überschlagen sich und bis zur letzten Seite gibt es keine entspannenden, ruhigen Momente mehr. Dabei gibt es einige überraschende Wendungen, die einem sogar die Sprache verschlagen!

Protagonist Ty, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird, ist ein sehr vielschichtiger Charakter. Für seine jungen 15 Jahre ist er bereits sehr reif und hat einen genauen Plan für seine Zukunft, doch sein jugendliches Temperament und seine neugierige Art hat er nicht abgelegt. Typisch Jugendbuch bringt er sich dadurch mehr als einmal in Gefahr, löst diese Probleme aber nicht wie ein Alleskönner. Auch er muss Rückschläge erleiden. Im Handlungsverlauf wird aus Ty sogar eine sehr tiefsinnige Figur, die sich mit schwerwiegenden Themen wie Traumatisierung, Selbsttäuschung und -akzeptanz auseinander setzen muss - so etwas hätte ich dem Roman zu Beginn niemals zugetraut!

Ähnlich ist es bei Gemma, dem wichtigsten Nebencharakter, die verzweifelt nach ihrem Bruder sucht. Auch sie scheut kein Risiko, um die Antworten auf ihre Fragen zu bekommen, und ist dabei noch impulsiver und spontaner als Ty. Aber selbst die anderen Nebencharaktere, wie der Bösewicht Shade, sind nicht die, die sie zu sein vorgeben, und werden den Leser oftmals mit ungeahnten Geständnissen überraschen.

Auf die Umgebung habe ich mich unter anderem am meisten gefreut: Eine Siedlung unter Wasser? Wie kann man sich das vorstellen? Einige Dinge hat Kat Falls wirklich schön aufgezeigt, wie etwa die aufblasbaren Häuser, die in sich zusammen fallen, wenn die Stromversorgung ausfällt, die Haustierfische im Vorgarten, die durch einen Zaun aus Luftblasen festgehalten werden oder die biolumineszierenden Wesen, die aus den Tiefen der Meere emporsteigen. Leider muss ich jedoch zugeben, dass ich mir die gesamte Welt nur sehr schwer bildlich vorstellen konnte. Detailreiche Beschreibungen hätte ich mir sehr gewünscht, denn so weiß man zwar, wie es sein soll, aber ein Bild vor Augen hat man nicht! Bedauerlicherweise hat die Leseatmosphäre auch leicht darunter gelitten.

*Cover:*
Das Cover sieht noch besser aus, wenn man es selbst in den Händen hält. Die Tiefsee-Atmosphäre wird durch die Qualle auf dem dunklen Hintergrund perfekt repräsentiert. Die aufsteigenden Luftblasen, die auftreffendes Licht reflektieren, machen das Cover zu einem echten Hingucker.

*Fazit:*
"Das Leuchten" ist ein abenteuerlicher Roman mit vielen aufregenden Momenten. Nach einem etwas schwierigen Einstieg bleibt das Buch durch überraschende Wendungen bis zur letzten Seite spannend und mitreißend. So sympathisch Ty und Gemma auch sind, ältere Leser werden ihre Schwierigkeiten haben, sich mit ihnen identifizieren zu können. Ich empfehle den Roman daher an Jugendliche bis 15 Jahre und vergebe 4 Sterne.