Rezension

Ein Leben voller Anekdoten

Kerl aus Koks -

Kerl aus Koks
von Michael Brandner

Bewertet mit 3 Sternen

Das, was Onkel Hans ihm zu sagen hat, hat es in sich: „Die Dame hier ist deine Mutter. Sie ist gekommen, um dich mitzunehmen.“  Den Münchner Wursthimmel lässt er hinter sich, es geht auf direktem Wege nach Dortmund zu den Kumpels.

In fünf Staffeln erzählt Michael Brandner alias Paul Brenner sein bisheriges Leben. Wobei mir die erste Etappe von 1952 bis zum Jahre 1965 am besten gefallen hat. Hier ist er Kind und erzählt seine Geschichte aus Kindersicht. Ein Roman mit biographischen Zügen ist es, was ich hier lese und der kleine Paul hat es mir sofort angetan. Seine ewig unzufriedene und nörgelnde Mutter, die immer etwas Besseres sein will und dies sich auch für Paul wünscht, ist treffend skizziert. Helmut, der zwar sein angeheirateter Stiefvater ist, ist ein Goldschatz, einen besseren Vater hätte Paul sich nicht wünschen können. Ewig hätte ich so weiterlesen können, ich hab mich wohlgefühlt  trotz der nicht einfachen Mutter.

Und dann wird Paul flügge, strebt immer mehr dem Erwachsenwerden zu. Er wird einberufen, der Wehrdienst ist noch Pflicht. Und schon hat er ein Problem – die Haare müssen rappelkurz sein, aber ohne ihn! Gewitzt, wie er nun mal ist, legt er sich ne Perücke zu und kommt fast durch. Fast! Die „Schleifer“ kennen keine Gnade, nicht jedem gefällt das. Hier wird der Ton ernster, nachdenklicher.

Er ist ein kluges Köpfchen und doch hat er es nicht so sehr mit dem Lernen, die Welt wartet. Und mit ihr all die Verlockungen, die alle – wirklich alle – ausprobiert werden wollen. Seien es die Trips nach Amsterdam mit all ihren Coffeeshops, überhaupt die Drogen. Und natürlich – wie könnte es anders sein – steht die holde Weiblichkeit Schlange. Eine nach der anderen will vernascht werden, manchmal geht es etwas wilder und durcheinander zu. Ein richtiger Teufelskerl ist Paul! Dazwischen blitzt das gesellschaftliche und politische Zeitgeschehen durch, auch viele Bekannt- und Berühmtheiten werden erwähnt. Er sagt irgendwann von sich selbst, er sei ein Allroundstümper. Sowas gefällt mir schon, es ist ja auch was Wahres dran, wenn ich dem Gelesenen nachspüre.

Ein Leben der Extreme ist zeitweise Dauerzustand, es wiederholt sich alles, auch wenn die Gespielinnen und zuweilen die Örtlichkeiten wechseln. Auch wenn es durchweg unterhaltsam ist, so ist hier mein Interesse ziemlich auf dem Nullpunkt angelangt. Irgendwann kommt er dann an, er wird doch noch sowas wie häuslich, auch wenn ein Schauspieler viel unterwegs ist.

Der „Kerl aus Koks“ hat mir als Lausbub am meisten zusagt. Das Titelbild zeigt einen so liebenswerten kleinen Mann, dem der Schalk direkt aus den Augen blitzt. Die fast wahre Geschichte von demjenigen, dessen Konterfei in „Hubert mit und ohne Staller“ als Dauerbrenner allgegenwärtig ist, ist ausgelesen. Paul hat nichts ausgelassen. Nach seiner Kindheit ist seine Geschichte zu breit gewalzt worden, die Exzesse waren im Endeffekt ähnlich. Das hat dem ganzen „fabulösen Roman“ dann doch geschadet.