Rezension

Ein neuer Schlink

Die Frau auf der Treppe - Bernhard Schlink

Die Frau auf der Treppe
von Bernhard Schlink

Der Ich-Erzähler ist erfolgreich: Seniorpartner in einer bekannten Kanzlei, beschäftigt mit internationalen Abschlüssen. Plötzlich wird er mit einer Erinnerung aus seiner Jugendzeit konfrontiert: Das Bild "Frau auf der Treppe" wurde zum Streitobjekt zwischen Maler und Auftraggeber, und die Frau, die hier dargestellt wird, hat den Auftraggeber für den Maler verlassen. Damals wurde er in den Konflikt hineingezogen, verliebte sich in die Frau und malte sich eine Zukunft mit ihr aus. Nun macht er sich auf die Suche nach ihr und möchte antworten: Warum hat sie sich damals so widersprüchlich verhalten?

Als er Irene begegnet, ist alles anders, als er es sich ausgemalt hat. Er erfährt nur wenig über sie, doch er muss sich seinem Selbstbild stellen: Hat ihn sein Erfolg glücklich gemacht? Was war wirklich wichtig in seinem Leben? Und wie möchte er seine letzten Jahre verbringen?

Sehr bewegend fand ich die Szene im dritten Kapitel, als der junge Mann entgegen seiner Erwartung nicht als Richter eingestellt wird - der Personalreferent rät ihm, seine Zeit zunächst für sich zu nutzen, Erfahrungen zu sammeln, das Leben zu genießen, und (nicht ausgesprochen) erwachsen zu werden. Diesen Rat kann der junge Mann nicht begreifen. Auch später kann er vieles nicht verstehen: Die Beziehung zu seiner Frau, die anscheinend in ihrer Ehe unglücklich war, die Interessen seiner Kinder - alles Zwischenmenschliche ist ihm fremd. Wie ein "tumber Tor", wie Parzifal, stolpert er durch eine ihm fremde Welt. Der äußere Schein betrügt nicht nur die Anderen und gaukelt ihnen Erfolg vor, auch er selbst glaubt daran. Was wirklich im Leben wichtig ist, sieht anders aus.

Das Buch hat mich berührt. Die Diskussionen zwischen den Männern fand ich etwas langatmig, und Irene bleibt geheimnisvoll und unbekannt. Aber die Idee, dass man sein Leben auch in höherem Alter doch noch ändern kann, spricht an.