Rezension

Ein Roman u. a. über die Bereitschaft, alles infrage zu stellen

Das Spinoza-Problem - Irvin D. Yalom

Das Spinoza-Problem
von Irvin D. Yalom

Bewertet mit 4 Sternen

Irvin D. Yaloms Roman »Das Spinoza-Problem« erzählt, durch Fiktives angereichert, parallel das Leben des Nazi-Ideologen Alfred Rosenberg und das Spinozas, auf ein Kapitel Spinoza folgt ein Kapitel Rosenberg etc. Beide Romanfiguren halten sich für grundlegende Denker – der eine (Spinoza) ist es, der andere (Rosenberg) hält sich lediglich dafür und verzapft eine auf unbefragten Voraussetzungen beruhende krude Rassenideologie. Yalom erzählt den Werdegang der beiden – bei Spinoza seine Kritik an der jüdischen Religion und an Religion überhaupt, seine Exkommunikation aus der jüdischen Gemeinde, sein zurückgezogenes Leben danach; bei Rosenberg seine Herkunft, die Teilnahme am Putschversuch Hitlers, seine stete Suche nach dessen Anerkennung bzw. seine Abhängigkeit von ihm, sein Aufstieg beim »Völkischen Beobachter«, seine verschiedenen Funktionen im Rahmen der NSDAP und des NS-Staates, schließlich das Todesurteil in Nürnberg und seine Hinrichtung. Der Rosenberg des Romans wurde als Schüler verpflichtet, Spinoza zu lesen, und dieser ist so etwas wie der »Stachel« in seinem »Fleische«: ein Jude, der von solch verehrten Größen wie Goethe geschätzt wurde! Gegen Ende des Romans kommt Rosenberg einer Lösung dieses »Spinoza-Problems« aus seiner Sicht näher.

Zwei Figuren, die Yalom erfunden hat, sind in der Entwicklung des Romans wichtig: Friedrich Pfister, Psychoanalytiker und Freund von Rosenbergs Bruder, der eine Analyse mit Rosenberg beginnt und ihn zu einer gewissen Selbsteinsicht zu animieren versucht; und Franco, religionskritisch wie Spinoza, der aber eine Veränderung der Religion von innen, als Rabbiner, anstrebt.

Pfister wie Spinoza (und in manchen Passagen Franco) schlagen in den Diskussionen des Romans einen ähnlichen Ton an, der an die Argumentationstechnik des Sokrates in Platons Werken erinnert. Sie hinterfragen die Voraussetzungen ihrer Gesprächspartner, versuchen kausale Zusammenhänge aufzuzeigen. Was Spinoza allerdings nicht hinterfragt, sind seine Methode, mit der Vernunft zu wahrer Erkenntnis gelangen zu können, und seine Wertung der Leidenschaften bzw. des Emotionalen als etwas, das zu überwinden ist.

»Das Spinoza-Problem« ist literarisch kein großer Roman – will es aber vermutlich auch nicht sein. Es ist ein philosophisch wie von der Psychoanalyse inspiriertes Buch, das einiges über die unterschiedlichen Lebensentwürfe seiner Protagonisten erzählt, immer wieder nach dem Motto: Ob es so war, weiß man nicht, aber es könnte so gewesen sein.

Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 17. November 2014 um 09:51

Eine angenehme und Übersicht gebende Rezension, in der man alles erfährt, was erfahrenswert ist. Ein Buch, das ich, mangels Interesses für die Thematik, sicherlich nicht lesen würde, aber ... irgendwie ragt es mal wieder aus dem Einheitsbrei heraus.

Steve Kaminski kommentierte am 17. November 2014 um 10:00

Danke! - Mit hat übrigens Deine Kruso-Rezension sehr gut gefallen, wobei ich da denke, dass mir das Buch möglicherweise zu schwierig ist.