Rezension

Ein spannender Pageturner über einen wichtigen Teil deutscher Geschichte

Seitenwechsel - Michael Römling

Seitenwechsel
von Michael Römling

*Worum geht's?*
Berlin im Jahre 1961: Eigentlich wollten der Biologie-Student Bernhard und sein Bruder Julius im Grenzgebiet nur einen Luchs fotografieren. Stattdessen werden sie Zeugen davon, wie mitten in der Nacht sowjetische Lastwagen mysteriöse Kisten abladen. Aus Furcht von den Männern entdeckt zu werden, fliehen die Brüder zu ihrem Vater – und finden ihn erhängt auf. Bernhard und Julius sind sich sicher: Ihr Vater hat keinen Selbstmord begangen! Aber wer hatte einen Grund, den stillen und zurückgezogenen Mann zu ermorden? Als Bernhard ins Visier der Stasi gerät, brauchen sie die Hilfe ihrer Freunde Jack, der für das amerikanische Militär arbeitet, und Georg, der im sicheren Teil Berlins lebt. Die Brüder müssen aus dem Osten fliehen, so schnell sie können – doch dann werden die Grenzen geschlossen…

*Meine Meinung:*
In „Seitenwechsel“, seinem nunmehr drittem historischen Jugendbuch, entführt Michael Römling seine Leser in die Vergangenheit, zu einem ganz besonderen und einzigartigem Teil der Weltgeschichte. Nach Römlings Ausflügen in das antike Rom und in die Nachkriegszeit des zweiten Weltkrieges geht es in diesem Roman in das Jahr 1961 – das Jahr des Mauerbaus. Gemeinsam mit den vier Freunden Bernhard, Julius, Jack und Georg erlebt man das geteilte Berlin zur Zeit des Kalten Krieges und bekommt Einblicke in die grausigen Geschehnisse, die sich zu dieser Zeit abgespielt haben.

„Entführen“ ist genau das richtige Wort, um zu beschreiben, was Michael Römling auf knapp 450 Seiten mit seinen Lesern macht. Denn hat man erst einmal mit dem Lesen von „Seitenwechsel“ begonnen, gibt es aus dem mitreißenden Lesesog kein Entrinnen mehr. Dank Römlings tollem Schreibstil und seinen ausdrucksstarken Schilderungen entwickelt sich der Roman in Windeseile zu einem Pageturner. Römling erzählt in seiner Geschichte ein bedeutendes Stück realer Geschichte und ihm gelingt dies auf eine solch realistische und lebendige Art und Weise, dass man sich selbst in das Jahr 1961 zurückversetzt fühlt.

Bernhard, der Biologie-Student, bringt durch seinen nächtlichen Ausflug mit seinem Bruder Julius die Geschichte erst einmal ins Rollen. Er ist es auch, der in größter Gefahr schwebt: Die Stasi nimmt den verantwortungsvollen Studenten schnell ins Visier und setzt ihn unter Druck, um ihn als Informationsquelle zu missbrauchen. Liefert Bernhard ihnen nicht, was sie wollen, droht ihm nicht nur die Exmatrikulation! Julius und er müssen Ostberlin schnellstmöglich verlassen, aber Julius schwebt trotz aller Gefahren im siebten Himmel. Seit er Barbara kennengelernt hat, die Tochter eines russischen Offiziers, kann er dank der Schmetterlinge im Bauch an kaum etwas anderes denken. Durch ihn bekommt „Seitenwechsel“ trotz der schwierigen Zeit auch eine romantische Note.

Jack stammt von Amerikanern ab, ist aber in Berlin aufgewachsen. Er arbeitet als Fahrer für den US-Offizier Aragon und bekommt so Informationen aus erster Hand. Durch Jack bekommt man Einblick in die amerikanische Perspektive des Kalten Krieges – und diese hat Michael Römling auf besonders begeisternde Weise beleuchtet. Jack und Aragon sind ein schlagfertiges Duo, das mit sarkastischen Sprüchen unterhält und dank ihrer aufregenden Spionageaufträge für jede Menge Spannung sorgt.

Georg, der Steinmetz, ist der ruhigste der vier Freunde und lebt mit seiner Familie im westlichen Teil Berlins. Im Gegensatz zu Jack, Bernhard und Julius führt er ein gelassenes Leben und wird nicht jeden Tag mit der Gefahr konfrontiert. Auch wenn sich Georg als Ruhepol der Truppe durchaus als sympathischer Charakter beweist, hinterlässt er keinen bleibenden Eindruck. Er gerät sogar während des Lesens schon schnell in Vergessenheit, da er im Vergleich zu seinen Freunden schlichtweg eine zu kleine Rolle einnimmt. Dabei hätte der junge Steinmetz durchaus mehr „Screentime“ verdient.

In „Seitenwechsel“ begegnet man vielen unterschiedlichen Nebencharakteren. Während einige von ihnen – wie etwa Jacks Chef Aragon oder Julius Freundin Barbara – wichtige und entscheidende Rollen spielen, tauchen viele Figuren auf, denen man tatsächlich nur ein- oder zweimal begegnet. Positiv überrascht hat mich allerdings, dass Michael Römling jedem seiner Figuren Leben eingehaucht hat – ganz egal, wie bedeutend sie für die Geschichte sind. Jede Person erschien mir so realistisch und plastisch, dass ich das Gefühl bekam, ihnen wirklich zu begegnen! Obwohl man nicht viel von ihnen erfährt, wirken sie nicht blass oder oberflächlich.

In einem ausführlichen Nachwort erklärt Autor Michael Römling, inwiefern er sich in „Seitenwechsel“ an der echten deutschen Geschichte orientiert hat. Hier bestätigt sich, was man von der ersten Seite an gespürt hat: Römling hat intensive Recherchearbeit geleistet und so viel Reales in sein Buch gesteckt, dass man mit Fug und Recht behaupten kann, dass man trotz der fiktiven Charaktere ein Stück wahre Geschichte zu lesen bekommt. Ein Glossar sorgt zudem für die nötigen Hintergrundinformationen. Dort werden alle wichtigen Personen, die tatsächlich gelebt haben, und die entscheidenden Begrifflichkeiten aus der Geschichte erläutert.

*Fazit:*
Wer Lust auf einen spannungsgeladenen Pageturner hat, der von einem wichtigen Teil der deutschen Geschichte erzählt, greift mit „Seitenwechsel“ von Michael Römling definitiv zum richtigen Buch. Der Autor hat großartige Recherchearbeit geleistet und die Thematik des Mauerbaus und des Kalten Krieges in einem mitreißenden Roman verarbeitet, der nicht nur beste Unterhaltung für jugendliche Leser bietet. „Seitenwechsel“ lässt Geschichte auf spannende Weise wieder aufleben und sorgt dank toller Charaktere, einer fesselnden Handlung und einem Schreibstil, der einen an die Seiten bannt, für packende und gleichsam lehrreiche Lesestunden. Für „Seitenwechsel“ gibt es sehr gute vier Lurche!

Kommentare

mimimaus kommentierte am 28. Juli 2014 um 11:19

Hallo, was fehlt denn für den fünften Lurch?

Leselurch kommentierte am 28. Juli 2014 um 11:33

Etwas mehr Screentime für den lieben Georg. :)