Rezension

Ein spannendes und anrührendes Abenteuer - nicht nur für Kinder

Das Abrakadabra der Fische - Simon van der Geest

Das Abrakadabra der Fische
von Simon van der Geest

Bewertet mit 5 Sternen

Wenn Vonkie mit ihrer Mutter in Opa Leos Dorf fährt, könnten die beiden annehmen, das Auto wäre eine Zeitmaschine. Bei Opa tragen die Leute Holzschuhe und haben Handys. Vonkie wird eine Woche bei ihrem Opa verbringen, weil ihre Eltern nach einem heftigen Streit Zeit für sich brauchen. Die 12-Jährige ist mehr als skeptisch, ob es ihr in dem alten Bauernhaus gefallen wird, in dem der verwitwete Opa allein lebt. Doch als das Mädchen vor Aufregung nachts nicht schlafen kann, zeigt sich der Opa als grandioser Geschichtenerzähler. Den Hof, auf dem er mit 6 Brüdern aufwuchs, hat inzwischen sein Neffe Pako übernommen. Jeder von ihnen hatte einen Spitznamen, Gisbert, mit dem Leo sich jahrelang das Zimmer teilte, war Beule – man kann sich vorstellen, weshalb – und der dickköpfige Leo wurde Eisen genannt. Sieben unternehmungslustige Söhne in einem Bauernhaus direkt am Kanal – als Mutter hätte ich jeden Abend drei Kreuze gemacht, wenn kein Kind ins Wasser gefallen oder im Eis eingebrochen wäre. Auch am nächsten Tag erzählt Opa, mit welch harten Bandagen die Brüder kämpften und stritten  und wie Beule ihn immer wieder gerettet hat. Dass seine Mutter hart war, wie Vonkie feststellt, kann Leo dagegen nicht finden, ihre Taten waren fürsorglich. Nur an den mitfühlenden Worten, wenn sie mal wieder ein verletztes und verschlammtes Kind versorgen musste, hat es wohl gehapert. Leo erzählt und erzählt, dabei wahrt er eisern zwei Geheimnisse. Er will nicht damit herausrücken, was damals in der ausgebrannten Mühle passierte und warum er seit 50 Jahren nicht mehr mit Beule/Gisbert redet, seinem Blutsbruder. Das Abrakadabra war bei den Jungs Beules unverständliches Gemurmel, wenn er für die Schule lernte. Vonkie ist Feuer und Flamme, beide Rätsel zu lösen. Ihr Cousin Sven erweist sich dabei als überraschend gewitzter Gefährte. Gemeinsam mit dem Geheimnis, das Leos Mutter auf der Seele lag, sind schließlich drei Handlungsfäden zu verknüpfen, was Simon van der Geest mit Bravour gelingt. Vonkie wirkt anfangs noch sehr kindlich, dabei entschlossen und absolut glaubwürdig. Die Moral für Vonkie: in ihrer Familie aus Dickköpfen muss sie sich über den Streit ihrer Eltern wirklich nicht wundern. Und auch unter eisernen Dickköpfen muss zumindest einer darüber reden, was derjenige bescheuert findet. Ich muss mir das Buch wohl zur Mahnung sichtbar ins Regal stellen … 

Simon van der Geest erzählt hier - aus Zeiten als niederländische Kinder im Winter  auf Schlittschuhen in die Schule fuhren - Geschichten aus seiner eigenen Familie.  Das tut er so anrührend und spannend, dass sein Buch auch für erwachsene Leser ein besonderes Erlebnis ist. Beule, Opa Leo, die geheimnisvolle Johanna und Leos Mutter bleiben unvergessliche Figuren.