Rezension

Ein Stück schmerzhafte Zeitgeschichte

Das Bücherzimmer - Rosemarie Marschner

Das Bücherzimmer
von Rosemarie Marschner

Bewertet mit 5 Sternen

Marie Zweisam war ihr halbes Leben lang „unpassend“.
Erstmal ist sie in den 20er Jahren als uneheliches Kind geboren. Sehr unpassend. Sie wächst auf einem Bauernhof in der Nähe von Linz auf. Die Dorfgemeinschaft beäugt sie und ihre Mutter misstrauisch, fast meint man, sie wären Geächtete.
Mit 14 wird sie als Dienstmädchen in die Stadt geschickt. Sie versieht pflichtbewusst ihren Dienst, ist aber eigentlich zu klug, um in die Rolle der devoten Magd zu passen.
Sehr ausführlich und einfühlsam wird Maries wechselvolles Leben geschildert. Sie schlüpft in mehrere Rollen, bis sie endlich in dem Leben ankommt, das zu ihr passt.
Durch Maries Augen erfährt man anschaulich den Zeitgeist der 30er Jahre in Österreich und erlebt, wie der Nationalsozialismus von Deutschland herüberschwappt und das Land überrollt. Das fand ich besonders interessant, weil man die Nazizeit meistens aus deutscher oder aus "Feindessicht" erzählt bekommt. Hier hat man mal die Sicht des "Verbündeten", der sich verbünden musste, ob er wollte oder nicht.

Was das Buch so unterhaltsam macht, ist der Schreibstil. Man ist sehr nah dran am Geschehen und fühlt mit Marie, lernt die unterschiedlichsten Menschen wirklich gut kennen. Gelegentlich durchzieht eine leise Ironie Maries Betrachtungen und man ertappt sich beim Schmunzeln, obwohl es gerade gar nicht lustig zugeht.

Dieses Buch erzählt das Leben einer ungewöhnlichen Frau und vermittelt eindrucksvoll ein Stück schmerzhafte Zeitgeschichte.