Rezension

Ein verdrängtes Thema penibel recherchiert

In den Häusern der anderen -

In den Häusern der anderen
von Karolina Kuszyk

Bewertet mit 5 Sternen

Dieses Sachbuch der polnischen Historikerin Karolina Kuszyk beschäftigt sich mit einem Tabu-Thema, nämlich mit der Beschlagnahme und In-Besitznahme von Eigentum der vertriebenen Deutschen durch den polnischen Staat im ehemals deutschen Westpolen.

 

Die Autorin ist mit einem Deutschen verheiratet und hat zahlreiche Familienschicksale penibel recherchiert. Sie spricht mit Augenzeugen bzw. deren Nachkommen. Dabei schafft sie es, dieses emotionsbeladene Thema sachlich und in angemessenen Ton darzustellen. Die Übersetzung aus dem Polnischen hat sicherlich auch großen Anteil daran, weswegen Bernhard Hartmann hier vor den Vorhang geholt werden muss.

 

Es gibt zwar meterweise Bücher über Flucht und Vertreibung der Deutschen aus Polen um und nach 1945, doch wenige Bücher widmen sich diesem Thema aus polnischer Sicht. Dass viele Menschen aus Ostpolen, das von der UdSSR annektiert worden ist, nach Westpolen zwangsweise umgesiedelt worden sind, ist vermutlich nicht allgemein bekannt. Diese Familien kamen, da selbst vertrieben, oft nur mit wenigen Habseligkeiten an und mussten mit den deutschen Hinterlassenschaften vorliebnehmen und damit zu leben lernen.

 

„Es war nicht schön, das deutsche Zeug zu benutzen, aber was hätten wir tun sollen?“

 

So kommt es, dass bei einem Besuch des Ehemanns der Autorin bei den Schwiegereltern zu der kuriosen Situation, dass aus einer Schüssel mit dem Hakenkreuz gegessen wird.

 

Zahlreiche polnische Familien lebten Jahrzehnte lang in der Angst, die Deutschen kämen zurück und würden sich ihr ehemaliges Eigentum wieder zurückholen wollen. Daher unterließ man häufig, die Gebäude zu verändern, ja selbst dringend notwendig Instandhaltungsmaßnahmen vorzunehmen, was wiederum das Vorurteil, Polen wären faul, befeuert hat. Aber, wer würde schon freiwillig eigenes Geld in fremdes Eigentum investieren? Eben.

 

Erst die Nachkommen der vertriebenen Polen beginnen „alles Deutsche“ zu tilgen. Diesem „sozialistischem Bauboom“ fallen Jugendstilvillen, Denkmäler und Friedhöfe zum Opfer. Erst ab 1990, dem Zerfall der UdSSR und dem Hinwenden zum Westen (NATO statt Warschauer Pakt) besinnt man sich des deutschen Erbes. Es ist nun an der dritten Generation, zu der sich die Autorin zählt, die „Spuren deutscher Vergangenheit in Westpolen“ wieder zu entdecken und zu bewahren. Wo früher deutsche Denkmäler abgerissen worden sind, ereilt dieses Schicksal nun jene aus den Sowjetzeiten.

 

Vermutlich wird erst die vierte Generation durch Bücher wie das vorliegende, ohne die üblichen Vorurteile erkennen, dass die beiden, durch ihre Geschichte eng verwobenen Länder mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede haben. Möge es durch Bücher wie dieses gelingen, gegenseitigen Respekt und Vertrauen aufzubauen. Aufrufe der aktuellen nationalistisch eingestellten Politiker nach Entschädigungszahlungen sind hier kontraproduktiv.

 

Fazit:

 

Wer sich für die Geschichte interessiert und im Speziellen für diejenige von Deutschland und Polen, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Gerne gebe ich diesem interessanten Blick auf jene Menschen, die „in den Häusern der anderen“ leb(t)en, 5 Sterne.