Rezension

Diese Rezension enthält Spoiler. Klicken, um alle Spoiler auf dieser Seite lesbar zu schalten.

Ein wirklich gutes Buch

Narun - Juno Stein

Narun
von Juno Stein

Narun, ist in Deutschland aufgewachsen und wird, noch nicht einmal volljährig in der Türkei zwangsverheiratet. Bei einer Besuchreise nach Deutschland verschwindet sie zusammen mit ihrem Sohn spurlos und vertraut sich er einige Tage später ihrer Schwester Dilek an. Sie ist geflohen und möchte nicht mehr nach den strengen, türkischen Regeln und Traditionen leben, die ihre Familie so schätzt. Für ihre Familie steht damit fest, Narun hat die Familienehre beschmutzt und wer dies tut, muss sterben. Kurz darauf wird Narun erschossen aufgefunden. Der Täter ist schnell gefasst - es war ihr eigener Bruder. Und die Familie hat davon gewusst.

Die Geschichte um das grausam-ernste Thema „Ehrenmord“. Der Ehrenmord an Narun, wird aus sieben verschiedenen Sichtweisen erzählt. Allen voran aus Sicht des Täters. Dieser ist nach wie vor von seiner Tat überzeugt und glaubt das Richtige getan zu haben. Er kann nicht verstehen, warum er für diese Tat so lange hinter Gitter sein muss. Gerade die sehr schonungslos und ehrlichen Aussagen des Täters haben mich schockiert, er zeigt keine ehrliche Reue.  

Aber auch der Vater kommt zu Wort und schildert seine Beweggründe. Als Leser merkt man schnell, er ist ein Mann der Respekt verlangt und vor allem eines, Gehorsam. Man taucht ein in eine Welt aus türkisch-kurdischen Traditionen und Werte, die für einen westlich denkenden Mensch sehr fremd wirkt.

Durch die Sichtweisen von Narun´s Schwester Dilek und ihrer Freundin Güldünya erfährt man mehr über Narun´s Leben und ihre Wünsche und Hoffnungen. Besonders interessant fand ich die Sichtweise von Birol, Narun´s Sohn. Die Perspektiven sind zu verschiedenen Zeiten erzählt. So kommt Birol erst 15 Jahre nach der Tat zu Wort und man merkt, dass er ebenfalls die Tat nicht verstehen kann. Das hat mich berührt. Wie muss es für ein Kind sein, ohne Mutter aufzuwachsen?

Der Schreibstil des Autors passt sich den jeweiligen Sichtweisen der Berichtenden an und somit kann der Leser jedes Mal sehr gut in deren Welt eintauchen und erlebt die Geschehnisse somit hautnah mit. Man kann sich gut in die . Zumindest ging es mir beim Lesen so, dass ich oftmals stocken musste und erst einmal verdauen musste, was ich da gerade gelesen hatte. Mir ging das Buch beim Lesen unter die Haut, was für mich ein Zeichen ist, dass es wirklich gut geschrieben ist. Es berührt, rüttelt auf und lässt den Leser mit vielen Fragen zurück. „Narun, Ein Ehrenmord“ ist ein Buch das weder belehrt noch urteilt, vielmehr ist es ein Bericht über eine Tat, über die sich der Leser beim und auch nach dem Lesen noch den Kopf zerbrechen wird. Ob richtig oder falsch, das vermag das Buch nicht zu sagen, aber es regt zum Denken und Diskutieren an. Und dennoch bleibt nach allem am Ende immer noch eine Frage offen: WARUM?

Das spezielle Thema dieses Buches, war es was mich aufmerksam gemacht hat, denn ich als Deutsche kann nicht wirklich begreifen, wie jemand einen Menschen aus der eigenen Familie aufgrund von Ehre und Tradition ermorden kann. Kann man so was überhaupt verstehen, wenn man nicht in solchen Zwängen aufgewachsen ist? Ich glaube nicht.

Mich beeindruckt, dass der Autor gerade für sein erstes Buch ein so tiefgreifendes, ernstes Thema gewählt hat und wie er damit umgegangen ist. Man merkt beim Lesen, dass der Autor sich mit diesem Thema sehr lange auseinandergesetzt hat und dass es ihm vor allem um das Verstehen der Tat geht, nicht darum zu urteilen, sondern darum eine Antwort auf die Frage "Warum" zu finden.

Ein wirklich gutes Buch und ich kann nur hoffen, dass wir noch viel von Juno Stein zu lesen bekommen werden.