Rezension

Ein wunderbares Debüt im Bereich Erwachsenenliteratur

Ein plötzlicher Todesfall - J. K. Rowling

Ein plötzlicher Todesfall
von J. K. Rowling

Bewertet mit 5 Sternen

Als 2012 Rowlings neuer, erster Erwachsenen Roman veröffentlicht wurde, war die Begeisterung zu Anfang groß. Dann folgte die Ernüchterung: Anscheinend hatte das Buch schlechte Verkaufszahlen und konnte viele Menschen inhaltlich nicht überzeugen. 2012 gab es auf der Buchmesse eine Lesung von Christian Berkel, dem Hörbuchsprecher. Berkel konnte mich stimmlich nicht überzeugen, schnell wurde es im Publikum unruhig. Aber die Textstellen, die er vorlas, interessierten mich inhaltlich sehr. Daher beschloss ich mir ein eigenes Bild von dem neuen "Rowling Buch" zu machen.

Was die Gestaltung des Buchcovers betrifft, sticht sowohl das Hardcover als auch die Taschenbuchversion ins Auge. Auf meinem Exemplar sind die Dächer einer Kleinstadt zu erkennen.
Gleich zu Beginn der Geschichte führt Rowling sehr viele Charaktere ein, was für mich etwas verwirrend war. Anfangs wird die Geschichte aus der Sicht des bald sterbenden Barry Fairbrothers erzählt, der an seinem Hochzeitstag noch einen wichtigen Zeitungsartikel fertigstellen muss und den Tag mit seiner Frau im Golfclub ausklingen lassen möchte. Doch dann stirbt er an einem plötzlichen Herzinfarkt und das Leben einiger Familien in Pagford gerät aus den Fugen.

Die Charaktere in diesem Roman könnten nicht unterschiedlicher sein: Angefangen bei Terri Weedon, einer drogensüchtigen Mutter zweier Kinder, die es zum dritten Mal in ein Methadon Programm geschafft hat, um endlich clean zu werden, bis hin zu Shirley Mollison, die Frau des Gemeinderatsvorsitzenden Howard Mollisons und Barrys größtem Konkurrenten, die sehr an dem Klatsch und Tratsch der Dorfgemeinschaft interessiert ist und die Website des Gemeinderats verwaltet.

Rowling zeigt hier gesellschaftliche Gegensätze auf. Sie beweist mit den verschiedenen Facetten ihrer Charaktere, wie viel sie von einem Menschen wahrnimmt. Beispielsweise ist Terris Tochter Krystal nicht nur die gemeine Schlägerin, sondern wird gerade im Umgang mit ihrem dreieinhalb jährigen Bruder auch als fürsorglich beschrieben. Hier stellt Rowling klar, dass jeder Mensch auch zwei Seiten hat. Interessant finde ich auch, dass sie nicht nur die Charaktere beschreibt, sondern auch erzählt, wie diese von anderen Menschen wahrgenommen werden.

Neben den gut ausgearbeiteten Charakteren haben mir auch die Verstrickung verschiedener Handlungsstränge sehr gut gefallen. Trotzdem erscheint es keinesfalls unrealistisch, dass die schüchterne aber liebevolle Krankenschwester Ruth Price, die nicht viel mit der Dorfgemeinschaft zu tun hat, in Shirley Mollison eine Freundin sieht, obwohl die Frauen nicht unterschiedlicher sein könnten.

Auch inhaltlich behandelt das Buch alles andere als leichte Kost. Von Drogensucht, über Vergewaltigung bis hin zu dem Wunsch einfach nur geliebt und so anerkannt zu werden, wie man ist, gibt einem das Buch viel Stoff zum Nachdenken. Gut dargestellt finde ich auch, wie der Tod des Gemeinderats Barry Fairbrothers, der eine wichtige Rolle in Pagfords Dorfgemeinschaft spielt, einen Stein ins Rollen bringt. Barry ist beinahe auf jeder Seite präsent und selbst nach Beendigung des Romanes bleibt der Eindruck, dass man auch ihn ein bisschen besser kennen gelernt hat.

Nachdem die Problemlagen der verschiedenen Charaktere dargestellt sind, stellt sich nun aber die Frage: Und was jetzt? Müssen wir ihnen auf über 500 Seiten dabei zusehen, wie sie leiden? Auch hier schafft Rowling eine subtile Steigerung. Gerade auf den letzten Seiten spielt sich der Höhepunkt der Geschichte ab und es wird klar, dass man nicht sein Leben lang in der Krise gefangen bleibt.

Nachdem ich das Buch nun beendet habe, kann ich nicht wirklich verstehen, warum viele Kritiken so schlecht ausfallen. Ich bin von dem Roman wirklich positiv überrascht und gerade von der Tiefgründigkeit sehr angetan. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass so viele Facetten aufgezeigt, bearbeitet und auch abgeschlossen werden.
Von daher kann ich das Buch guten Gewissens weiterempfehlen.