Rezension

Ein wunderbares Portrait einer vergessenen Persönlichkeit

Die Königin von Berlin - Charlotte Roth

Die Königin von Berlin
von Charlotte Roth

Bewertet mit 5 Sternen

das Who-is-Who der Theaterwelt der Weimarer Republik und seine Königin

Die Zwanziger Jahre: Die junge, lebenshungrige Karoline lebt mit ihrer Familie in München. Sie will ausbrechen aus diesem öden Leben und hinaus auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Am liebsten in Berlin. Bis dahin ist es aber ein weiter Weg für die junge Frau, die sich nun Carola nennt. Aber sie ist hartnäckig, lässt sie durch nichts und Niemanden von diesem Ziel abbringen. Und diese Hartnäckigkeit zahlt sich schließlich aus. Sie schafft es eines Tages endlich bis nach Berlin, wo ihr fortan viele Türen offen stehen.

Sie erlebt eine kleine Welt innerhalb der Welt, bestehend aus allem, was Rang und Namen hatte im damaligen Kulturbetrieb der Weimarer Republik: Regisseure, Schauspieler, Journalisten und Schriftsteller wie Bertold Brecht, Lion Feuchtwanger, Klabund, und und und. Alles Namen, die bis heute jeder kennt. Nur ein Name fehlt heutzutage, wenn man auf dies Zeit zurückblickt, nämlich ausgerechnet dieser: Carola Neher, der einstigen „Königin von Berlin“. Was war passiert? Wie konnte eine solche Persönlichkeit aus dem kollektiven Gedächtnis verschwinden?

Charlotte Roth erzählt hier ihre Geschichte, gibt ihr eine Stimme. Und mit jedem Satz, den ich lese, wird es für mich unbegreiflicher, wie diese selbstbewusste, willensstarke und wunderschöne Frau so in Vergessenheit geraten konnte. Immerhin war sie eine sprudelnde Inspirationsquelle für Bertold Brecht und eine Herzensbrecherin für viele andere, die ihrem Charme erlagen.

Ich war fasziniert von der bunten und schillernden Welt des Berlins der Zwanziger Jahre, so lebendig erzählt, als wäre man dabei gewesen. Und dann war ich wiederum so traurig, mitzuerleben, wie dieser wilde Mikrokosmos auseinander bricht und sich in alle Winde verstreut, weil so viele von ihnen vor den Nazis fliehen mussten, auch Carola. Und ich war gefesselt von der Lebensgeschichte dieser „Königin von Berlin“, die ich wahnsinnig gern kennengelernt hätte.

 

P.S.: Die Autorin gibt den Tipp, sich auf youtube anzusehen wie Carola Neher den „Barbara-Song“ in der Verfilmung der Dreigroschenoper singt, das habe ich getan – und bin ihr verfallen.