Rezension

Eine Betroffene spricht über ihre Depressionen

Minusgefühle
von Jana Seelig

Bewertet mit 3 Sternen

★★★

Jana Seelig hat über Twitter ihre Depression öffentlich gemacht. Nicht, weil sie so mutig ist, sondern weil sie nur so ihrem damaligen Freund klarmachen konnte, wie ernst das ist. Daraus ist etwas erwachsen, das sie so gar nicht auf dem Schirm hatte: sie löste eine riesige Welle aus. Nicht nur positive Reaktionen kamen, auch Anschuldigungen, sie wolle damit nur berühmt werden und Geld machen. Also ein Schritt, der ihr nicht nur half, sondern sie auch immer wieder in ihre Depression zurückwarf.

Dieses Buch hat mich am Anfang sehr in seinen Bann gezogen. Doch dann geschah etwas Seltsames. Jana, die sehr schnell mein Mitgefühl (nicht Mitleid!) hatte, wurde mir streckenweise übelst unsympathisch. Mag sein, dass der Schreibstil ihre Depression veranschaulichen sollte, doch die Zeitsprünge, die wirr und unverständlich waren (auch im Nachhinein bin ich mir bei einigen Kapiteln überhaupt nicht sicher, wo im Streitstrang sie eigentlich angesiedelt sein müssten) und ihre Exzesse (Alkohol, Drogen, Sex), die etwas exhibitionistisches an sich haben, provozieren auf gewisse Art und Weise. Ich habe mich ertappt, dass ich an manchen Stellen dachte: na, bei solche einer Lebensweise muss man ja zwangsläufig depressiv werde! Es ist ungerecht, ich weiß, und es tut mir auch wirklich weh, so zu denken und zu fühlen. Dennoch bin ich mir sicher, ein geregelter Tagesablauf, eine halbwegs vernünftige Ernährung, Mäßigung beim Alkohol (und anderen Genuss- und Suchtmitteln) und Verzicht auf Drogen (sorry, aber nur Loser brauchen die!) helfen sehr wohl, die Psyche gesund zu erhalten.

Dennoch hat dieses Buch auf alle Fälle seine Daseinsberechtigung, denn es gibt doch Denkanstöße: auf sich und auf andere mehr zu achten, auf Probleme der Mitmenschen, besonders im Freundes- und Familienkreis, besser einzugehen und die Sorgen und Nöte von anderen nicht mit einem lapidaren Spruch wegwischen. Das hilft auch, die Welt ein wenig heller zu gestalten und Depressionen zumindest abzumildern.

Besonders die Stelle, an der Jana endlich auch mal erkennt, dass es auch andere Sichtweisen gibt, hat mir Auftrieb gegeben und Hoffnung gegeben, dass sich etwas dreht. Doch leider fehlen mir einige Kapitel. Janas Buch-Ende ist recht abrupt und auch, wenn ich weiß, dass man eine Depression nicht heilen, sondern nur in den Griff bekommen kann, suche ich hier vergeblich Janas Willen dazu.

Ja, ich kann verstehen, dass es nicht leicht ist, damit zu leben. Aber ein wenig mithelfen würde nicht schaden und ist machbar. Insofern kann ich die negativen Reaktionen im Internet ein wenig verstehen. Beschimpfungen sind keine Lösung, aber die Wut dahinter kann ich nachvollziehen.

Ansonsten bleibt mir nur zu sagen, dass ich dem Buch zwar nur drei Sterne geben kann, die Lesezeit aber nicht vergeudet war.

★★★ (ړײ)¸¸.•´¯`»