Rezension

eine ganz andere Geschichte, die zum Nachdenken anregt...

Letztendlich sind wir dem Universum egal - David Levithan

Letztendlich sind wir dem Universum egal
von David Levithan

Zitat:
„Mein Leben führt zu nichts. Mit Ausnahme von einem Nachmittag. Gestern ist eine andere Welt. Ich will dorthin zurück.“
(S. 49)

„Ich wollte, dass die Liebe alles überwindet. Doch das kann sie nicht. Sie kann nichts aus sich heraus tun. Es liegt an uns, in ihrem Namen alles zu überwinden.“
(S. 348)

Inhalt:
Jeden Morgen wache ich in einem anderen Körper auf, rufe die Informationen ab, die ich benötige, um den Tag ohne große Eingriffe in das Leben des Körpers zu überstehen.

Heute bin ich Justin. Justin, der seine Freundin Rhiannon nicht gut behandelt. Rhiannon, die so verletzlich und sensibel ist. Rhiannon, in die ich mich verliebt habe. Etwas, das ich mir in meinen 16 Lebensjahren bisher nie zugestanden habe.

Am nächsten Tag bin ich nicht mehr Justin. Aber meine Gedanken sind nach wie vor bei Rhiannon. Ich muss sie wiedersehen, egal in welchem Körper, ganz gleich, ob ich diesen durcheinanderbringe.

Gibt es eine Chance für uns? 
Liebe sollten keine Grenzen gesetzt sein. 
Aber entspricht das der Realität?

Meinung:
Überraschend hatte mich dieses bereits im Vorfeld beinahe „gehypte“ Buch erreicht und mich absolut neugierig gemacht, weil es nach etwas SO anderem klingt, dem ich mich einfach nicht entziehen kann.

Vorab muss ich sagen, dass mir diese Rezension alles andere als leicht fiel. Der Stoff, den David Levithan in diese Geschichte gesteckt hat, ist weit tiefgründiger und „echter“, als es der Klappentext vermuten lässt. Das Buch regt zum Nach- und Überdenken an, auch wenn ich mir stets wie ein Beobachter vorkam und nie bis zur letzten Faser „mitgefühlt“ habe. Vielleicht ist die Geschichte zu speziell, vielleicht war es mir auch einfach nicht möglich, in so viele Charaktere einzutauchen, mal männlich mal weiblich. Ich neige dazu, den Protagonisten zu vermännlichen, auch wenn er geschlechtslos ist. Einfach aufgrund der „Norm“, weil „er“ ein Mädchen liebt. Das ist wohl einer der Gedanken, an die der Autor anknüpft und dem Leser die Augen öffnen will.

Für lange Vorbereitung gab es nach dem Lesestart keine Zeit. Der Autor warf mich gleich in den 5994. Tag von „Ich“s Leben. Später erst, sehr viel später, erfuhr ich, dass „Ich“ sich selbst „A“ nennt. So wurde ich sofort in das Leben eines Unbekannten geworfen und A machte mich mit seiner morgendlichen Aufgabe vertraut: herausfinden, in welchem Körper A steckt (in diesem Fall männlich, Justin, 16 Jahre alt, weil der Körper immer dasselbe Alter hat wie A), indem A die Informationen des jeweiligen Körpers abruft.

Kurz darauf startet „Justin“ seinen Alltag. A ist gut darin, aus Reaktionen, Mimik und Gestik anderer zu lesen. Was A in der Schule aus Rhiannon, Justins Freundin, liest, berührt „ihn“. Justin behandelt Rhiannon nicht gut. Und entgegen seiner Vorsätze und Gewohnheiten verbringt A einen außergewöhnlichen Tag mit Rhiannon, genießt die Zeit mit ihr, stets in dem Wissen, dass „er“ sie am nächsten Tag verloren haben wird.

Am nächsten Tag ist A ein Mädchen namens Leslie, die Erinnerungen an die Momente mit Rhiannon, diese tiefe Verbundenheit, sind jedoch noch präsent. A schafft es nicht, diese abzuschütteln wie sonst. Als A dann auch noch Justins E-Mail von Rhiannon liest, ist sicher, dass etwas geschehen ist. A hat eingegriffen. Weil A anders vorgegangen ist. Weil A sich verliebt hat. Aber A ist nicht mehr Justin. Und doch will A zurück. Am Tag 5597 trifft A im Körper eines Mädchens auf Rhiannon. Und es soll nicht die letzte Begegnung bleiben.

Es ist doch sehr speziell, einen Charakter zu haben, der mal männlich, mal weiblich ist. Stets mit neuen alltäglichen Problemen konfrontiert und immer auf der Hut, das Leben, das an diesem Tag geliehen wurde, nicht allzu durcheinander zu bringen, stets abzuschätzen, wie der Besitzer des Körpers reagieren würde. A hat sich feste Regeln aufgestellt: keine Einmischung, nicht auffällig sein, sich anpassen. Doch Regeln werden ungültig, wenn man den Menschen gefunden hat, den man für den Rest seines Lebens nicht mehr vergessen wird, den man am liebsten immer an seiner Seite haben will, den man liebt.

Durch die gewählte Ich-Perspektive in Gegenwartsform steckt der Leser wortwörtlich in verschiedenen Körpern – gemeinsam mit A. Dieser durchlebte in seinem 16-jährigen Leben so viele unterschiedlichste Leben, dass A eine sehr objektive Sicht auf viele Themen hat, die Menschen beschäftigen. Themen wie Liebe, Geschwister, Sexualität, Kirche und Glaube, ja sogar die Konflikte der Welt, auf klare, objektive Fakten reduziert. Aber auch auf die Macht des Körpers über den „Geist“, bei Krankheit oder Sucht. 

Eine absolute Meisterleistung des Autors ist die Tatsache, sich in so dermaßen viele grundverschiedene Charaktere hineinzudenken und die Wesenszüge darzustellen. Das Gefühl, wenn man in einem solchen Körper steckt. Sei es der eines Junkies, dessen Körper das Gehirn übernimmt, dem man sich kaum zu widersetzen vermag, der eines Übergewichtigen, dessen Last bei jeder Bewegung im Kopf widerzuhallen scheint. Oder der eines schwer depressiven Menschen, dessen dunkle Wolke selbst dem neutralsten „Geist“ den Tag düster färbt… David Levithan verschafft in dieser Geschichte ein Gefühl für das Sein, ein Verständnis nie dagewesenen Ausmaßes.

„Letztendlich sind wir dem Universum egal“ ist jedoch nicht nur die Geschichte eines Körperlosen, der durch sämtliche Menschen reist, denn der Ausflug aus der Norm, den A in den Leben der „besetzten“ Menschen bewirkt, bleiben nicht unbemerkt. Und A muss seine eigene Art überdenken, insbesondere das, was die Liebe aus A gemacht hat.

Was ist die Liebe eines einzelnen Wert, wie kann man sie erhalten? Ist es möglich, geliebt zu werden, egal wie oft man das Äußere wechselt? Die Liebesgeschichte von A und Rhiannon ist definitiv etwas ganz anderes und ich hoffte und bangte, wurde berührt und enttäuscht. Und ganz nebenbei fließt so viel „Wissen“ in die Geschichte, Dinge, die einen nicht sofort wieder loslassen. Fragen, die vielleicht schon von jedem von uns an das Universum gestellt wurden.
Ob ich Antworten bekommen habe? Lest es selbst…
 
Urteil:
„Letztendlich sind wir dem Universum egal“ ist anders, in jeder Hinsicht. Kein einzelner Protagonist, nein, unendlich viele davon, einer untypischer als der andere und im Inneren doch einer. David Levithan bringt in seinem Werk jede Menge Fragen an oder verleitet den Leser dazu, sich diese zu stellen. Mit seiner äußerst tiefgründigen Art schaffte er es, mich an „A“s Geschichte zu fesseln, obwohl ich ab und zu Probleme hatte, wirklich zu fühlen, was ich gerade las, was dieses Buch knapp an der Höchstwertung vorbeischrammen lässt. Daher sehr sehr gute 4 Bücher für diese ganz und gar außergewöhnliche Geschichte.

Für Leser, die nicht auf alles eine Antwort haben müssen, sich völlig in unterschiedlichste Personen einfühlen können, eine absolute Empfehlung!

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