Rezension

Eine Generation scheitert an ihren Ansprüchen

Die Glücklichen - Kristine Bilkau

Die Glücklichen
von Kristine Bilkau

Bewertet mit 5 Sternen

INHALT
Isabell, Georg und Matti sind eine kleine, nach außen harmonisch wirkende Familie aus Hamburg. Doch der Schein trügt. 

Als Isabell, Anfang 30, nach der Babypause wieder in ihrem Beruf als Cellistin arbeiten will, versagen ihr ihre Hände. Sie kann nicht mehr spielen, ist erschöpft und überanstrengt. Die Mehrfachbelastung aus Kind, Haushalt und Beruf setzt ihr zu. Als dann auch noch ihr 32-jähriger Mann Georg seinen Job als Journalist bei einer renommierten Zeitung verliert, gerät das gut konditionierte Familienidyll vollends aus den Fugen. Zweifel und Zukunftsängste kommen auf und vergiften ihre Beziehung. Werden sie je wieder glücklich sein können? 

MEINUNG
Kristine Bilkaus Roman erzählt von der überanstrengten, idealistischen Generation 30+, die alles im Griff haben will und doch von unvorhergesehenen Niederlagen mächtig aus der Bahn geworfen wird. Hier macht der depressive Erzählton die Musik. Die Protagonisten Isabell und Georg müssen ihre Lebensträume begraben und gelangen dadurch in eine Spirale aus Zweifel und sozialer Abstiegsangst. Sie schweigen sich aus. Keiner will den anderen mit seinen Sorgen belasten und frisst diese lieber in sich rein. Bilkaus Geschichte macht nachdenklich und rüttelt damit gleichzeitig auch wach; genauso wie der mehr als paradox anmutende Buchtitel "Die Glücklichen". Insgesamt investiert die Autorin viel Zeit in die feinsinnige und authentische Beschreibung des Innenlebens beider Charaktere, was mir sehr gefallen hat, weil man sich dadurch 100%ig auf die Figuren und ihre Ängste einstellen und mitfühlen kann. Gerade Themen wie Existenz- bzw. Trennungsangst hat wohl jeder von uns schon einmal erlebt. Auch die Figuren, allen voran die perfektionistische Mutter und Frau Isabell, kennt jeder aus seinem Bekanntenkreis. Solche Helikoptermütter finde ich persönlich sehr anstrengend, da diese das Kind vom wirklichen Leben durch ihre Überängstlichkeit ausschließen. Zudem wird der eigenen Karriere heutzutage ein großer Stellenwert eingeräumt und Scheitern bzw. Arbeitslosigkeit kann schnell zum gesellschaftlichen Makel werden, was ich mehr als bedenklich finde. Damit geht die Selbstentwertung einher und der Lebensmut wird dezimiert. Infolge steht die Zukunft in den Sternen.Alle diese kleinen und großen Schicksalsschläge bildet dieses Buch auf wunderbar direkte Weise ab. Denn hier soll keine heile Welt vorgegaukelt werden, sondern die Realität, die nicht immer leicht zu ertragen ist. 

Stellt sich die Frage: Was ist Glück? Isabell und Georg erkennen erst durch den Tod von Georgs Mutter, dass Glück in unserer Konsumgesellschaft kein käufliches Gut ist, sondern sich vielmehr aus einem liebenswerten Miteinander - sei es Familie bzw. Freundschaft - speist. Ein Gedanke, der in unserer heutigen schnelllebigen Zeit, mehr als wichtig erscheint. Zudem sollte man nicht alles planen wollen und eher den Moment genießen. 

FAZIT
Ein grandios geschriebenes, realistisches Porträt einer unsicheren Generation, das nicht mal eben so zwischendurch gelesen werden sollte, sondern mit Bedacht und Neugier. Diese Erzählung stammt aus dem echten Leben und zielt damit mitten ins Herz. Dafür gibt es von mir 5 wohlverdiente Sterne. Weiter so!
 

Kommentare

LySch kommentierte am 18. April 2017 um 10:34

Tolle Rezi! :) Ich habe mir das Buch zu Ostern gewünscht und freue mich schon auf die Lektüre!