Rezension

Diese Rezension enthält Spoiler. Klicken, um alle Spoiler auf dieser Seite lesbar zu schalten.

Eine große Enttäuschung

Das Original - John Grisham

Das Original
von John Grisham

Bewertet mit 1 Sternen

"Eine Liebeserklärung Grishams an die Welt der Bücher und ihre Autoren." steht als Zitat der Süddeutschen Zeitung auf dem Cover. So etwas von einem Autoren, von dem man sonst besonders spannende (Justiz-)Thriller und Krimis kennt, das dürfte jeden Bücherliebhaber reizen. Romane wie "Die Jury" oder "Die Firma" sind gefeierte Klassiker. Wer diese kennt und nun etwas Vergleichbares erwartet, der wird vermutlich enttäuscht. Zumindest ging es mir so.

"Ein Coup, der die Buchwelt erschüttert" – und der geschieht direkt zu Beginn des Romans. Fünf Männer stehlen die handschriftlichen Manuskripte Fitzgeralds. Zwei der Diebe werden verhaftet, der Dritte ermordet den Vierten, lässt die Manuskripte verschwinden und setzt sich ab, der Fünfte flieht ebenfalls. So weit, so gut. Das sind die ersten 50 Seiten. Nicht wirklich spannend, aber eine interessante Ausgangssituation.

Szenenwechsel, Ortswechsel, Zeitwechsel. Bruce Cable ist der neue Protagonist und wir erleben hautnah, wie er seine Buchhandlung auf Camino Island eröffnet und Antiquitätenhändlerin Noelle kennenlernt (und sie zwischendurch in Nizza heiraten wollen). 25 Seiten weiter. Aus "nicht wirklich spannend" wurde "nett erzählt". Der Aufbau der Buchhandlung, die Beschreibung von den Problemen unabhängiger Buchläden, die Liebe zu Büchern – soll das schon besagte Liebeserklärung an die Welt der Bücher sein?

Ein neues Kapitel, wieder in der 'Gegenwart', eine neue Protagonistin: Mercer. Nachdem sie einen Roman und einen Kurzgeschichtenband veröffentlicht hat, arbeitet sie als Dozentin und hält sich finanziell knapp über Wasser. Ein neuer Roman ist längst überfällig. Ihre Stelle an der Universität wird nicht verlängert und da erhält sie ein moralisch zwiespältiges Angebot. Sie soll in das Haus ihrer verstorbenen Großmutter auf Camino Island ziehen, ihren Roman schreiben, sich in das Leben von Bruce und Noelle schleichen, deren Vertrauen gewinnen und ausspionieren, ob dort die Manuskripte versteckt sind. Der Lohn: Viel Geld und die Tilgung sämtlicher Schulden. Und natürlich: Die Auftraggeber sind die Guten, zwar nicht das FBI, aber die Versicherungsfirma, die ein Interesse hat, die Manuskripte zurückzubekommen. Angeblich. Oder vielleicht doch eine Chance auf eine spannende Wendung? Ein wenig hin und her, und Mercer nimmt das Angebot an. Kaum sind 120 Seiten um und Mercer ist an Ort und Stelle und bereit.

Die Handlung geht weiter, alles, genau wie geplant. Mercer lernt die Inselbewohner kennen, wird herzlich aufgenommen und ist direkt mitten unter ihnen. Jeder einzelne Schriftsteller, ob noch aktiv oder nicht ist skurril. Jeder kämpft mit seinen Problemen, sei es Alkoholismus, die Familie, der Partner oder Versagensängste. Ist das nun die "Liebeserklärung an die Autoren"? So liebenswert einige der Charaktere doch erscheinen, alles in allem wirkt es auf mich eher wie eine Persiflage. Wie auch immer: Der illustre Kreis wird zusammengehalten von Bruce, der mit seiner Buchhandlung den Dreh- und Angelpunkt allen Treibens bildet. Die Handlung plätschert so vor sich hin und zieht sich wesentlich länger als zu Beginn des Romans.

Natürlich passiert irgendwann das Unvermeidliche: Mercer und Bruce beginnen eine Affäre. Auch das zögert sich allerdings sehr lange hinaus, aber man wusste schon hundert Seiten vorher, dass es kommen würde. Da Noelle und Bruce aber sowieso eine offene Ehe führen (oder sind sie gar nicht wirklich verheiratet? Eine immer wieder aufgeworfene Frage!) und auch sie sich gerade mit einem Freund in Frankreich vergnügt, ist das alles halb so ernst. Schließlich zeigt Bruce Mercer eines der Manuskripte, um sie zu beeindrucken. Sie ist allerdings nicht ganz so beeindruckt und verschwindet, kämpft mit sich um die Frage zu erörtern, ob sie ihn nun wirklich auffliegen lassen soll und tut es schließlich. Er durchschaut das aber wohl in letzter Sekunde, lässt die Manuskripte verschwinden und flieht dann selbst nach Frankreich zu Noelle. Letzten Endes verkauft er von dort aus die Manuskripte zurück an die Universität, aus der sie kommen, und lässt es sich von dem Geld gut gehen. Das FBI hat in der Zwischenzeit alle noch lebenden Diebe verhaften können und lässt es damit gut sein. Friede, Freude, Eierkuchen.

Wäre da nicht der Epilog. Sechs Seiten beenden das ganze Geschehen. Und wenn man hofft, dass nun noch irgendwas Entscheidendes kommt, eine unerwartete Wendung, irgendwas, dann wird man wieder enttäuscht. Mercer arbeitet erneut als Dozentin, hat noch immer keinen Roman geschrieben und trifft dann, ganz plötzlich, in einem Café Bruce, der sie konfrontiert. Es folgt die langweiligste Konfrontation aller Zeiten. Er gesteht, dass er die ganze Zeit ahnte, dass sie nicht ehrlich ist, dann beschimpft er sie halbherzig, sie entschuldigt sich halbherzig, er bedankt sich halbherzig (schließlich hat sie ihn dazu genötigt, was zu tun und die Manuskripte loszuwerden und so ging ja zum Glück alles gut). Ein vor Kitsch und Unglaubwürdigkeit nur so triefendes Ende.

Ein Fazit?

Die Geschichte hatte für mich Potential. Die Grundidee gefiel mir und ich hoffte stets, das noch was kommt. Es wurden viele Möglichkeiten verschenkt. Einige Fragen wurden aufgeworfen (was hat es mit der Ehe von Bruce und Noelle auf sich? Was mit dem Tod von Mercers Großmutter?), die aber nicht ausgeführt wurden. Die Charaktere sind alle recht flach und zeigen wenig Entwicklung. Am Ende ist alles wie am Anfang. Die Manuskripte sind wieder dort wo sie waren und Mercer ebenfalls. Der Kreislauf des Lebens.

Ich würde gerne sagen, dass man das Buch einfach gut lesen kann, da es leichte Lektüre ist, ein paar hübsche Momente und Ideen beinhaltet und sich so als Urlaubslektüre für Balkon oder Pool anbietet (was ganz gut zum Cover passt – Pool, Palmen, Sonne), wo man es dann aber auch getrost liegen lassen kann. Aber von diesem Fazit hält mich dann leider die Sprache ab. Grisham schreibt gut, hat eine tolle Wortwahl, schafft es hervorragend, Doppeldeutigkeiten gekonnt zu verpacken und Szenen wunderschön zu beschreiben. Die Übersetzer hingegen haben meines Erachtens keinen guten Job geleistet. Immer wieder stolperte ich über Formulierungen, Wörter und Phrasen. Wann immer ich dann ins englische Original schaute (Leseproben sei Dank!), empfand ich die Übersetzung als fehlerhaft, unglücklich oder ungenügend.