Rezension

Eine immense Fleißleistung

Jesus. Eine Weltgeschichte. -

Jesus. Eine Weltgeschichte.
von Markus Spieker

Bewertet mit 3.5 Sternen

„...Man kann Lehre und Leben nicht voneinander trennen. Haltung und Handlung sind zwei Seiten derselben Medaille...“

 

Dieses Zitat stammt aus einem mehr als 1000 Seiten dicken Buch. Wie rezensiert man ein solches Buch, wenn einerseits eine akribische und fleißige Recherche des Autors die Grundlage ist, andererseits seine Schlussfolgerungen aber auch Ecken und Kanten haben?

Ob mein Versuch einer realistischen Rezension gelingen wird, liegt im Auge des Betrachters.

Das Buch gliedert sich in drei Teile und zwölf Kapitel. Im ersten Kapitel untersucht der Autor, ob und wo es vor der Geburt Jesus schon das Wissen oder eher das Ahnen eines einzigen Gottes gab. Natürlich fallen in dem Zusammenhang Namen wie Echnaton und Platon.

Im zweiten Kapitel wendet sich der Autor der Geschichte des jüdischen Volkes zu. Geschickt vergleicht er die Religion der Juden mit denen ihrer Nachbarvölker. Gezielte Hinweise im Alten Testament auf Jesu werden erwähnt.

An dieser Stelle möchte ich kurz auf den Schriftstil eingehen. Er ist locker und leicht, stellenweise humorvoll und fast flapsig. Das sorgt dafür, dass sich die Seiten schnell hintereinander weg lesen lassen, ist aber sicher nicht jedermanns Fall.

Im dritten Kapitel wirft der Autor ein Schlaglicht auf das Rom zur Zeit der Geburt Jesu.

 

„...Bescheidenheit war definitv keine römische Tugend...“

 

Und heute? Auch andere Feststellungen, die er trifft, haben bis heute nichts an ihrer Gültigkeit verloren.

 

„...Was uns erlaubt ist, stößt uns zurück. Das Verbotene reizt uns...“

 

Das letzte Kapitel des ersten Teils widmet sich der Geburt Jesu. Hier hält sich der Autor an die Vorgaben der Bibel und ergänzt sie durch eine Menge an historischen Fakten. Das folgende Zitat fasst den Kern zusammen:

 

„...Der Gott, der aus Liebe die Welt gemacht und den Menschen anvertraut, schenkt sich selbst und ermöglicht einen Neuanfang...“

 

Einen breiten Rahmen in den Ausführungen nimmt das Thema Jungfrauengeburt ein. Dann versucht der Autor, die Geschehnisse in den historischen Kontext einzugliedern und die Abläufe logisch zu begründen. Was ich hier schreibe, gilt auch für die folgenden Kapitel. Leider hat es der Autor versäumt, auf konkrete Zitate zu verweisen. So wird oft nicht klar, ob ich eine angelesene oder seine persönliche Darstellung geboten bekomme.

Der gesamte zweite Teil, der die Kapitel vier bis acht umfasst, beschäftigt sich mit Jesu Leben und Werk bis zu seinem Tod am Kreuz. Neben der Analyse der biblischen Texte und deren Interpretation wendet sich er Autor auch heiklen Themen zu, ohne sie allerdings allgemeingültig zu beantworten. Eines ist die Frage: „War Jesus Pazifist?“

Die biblischen Geschehen erzählt der Autor auf seine unnachahmliche Art sehr pointiert. Es kommen auch die menschlichen Schwächen der Jünger nicht zu kurz.

Der dritte Teil beginnt im Kapitel 9 mit dem Kernpunkt der christlichen Lehre, der Auferstehung Jesu. Es folgt Pfingsten und die Erfahrungen der ersten Gemeinden.

Die nächsten zwei Kapitel widmen sich der Ausbreitung der Kirche und ihren positiven Wirkungen auf Bildung, Wissenschaft und Kultur. Genau hier aber bin ich häufig andere Meinung als der Autor. Einiges ist mit eindeutig zu positiv dargestellt. Probleme werden weitgehend ausgeblendet oder nur kurz erwähnt. Und eine Frage bleibt ganz im Dunkeln: Inwieweit hat die Kirche des Mittelalters noch die Lehre Jesus, und um den geht es ja den Autor, in ihren Mittelpunkt gestellt? Zwei Zitate belegen die Stellen, mit denen ich persönlich nicht einverstanden bin.

 

„...Falsch ist die Behauptung, Mission sei überwiegend gewaltsam und gegen den Widerstand der einheimischen Völker betrieben worden...“

 

Ich sehe nicht, dass das falsch ist. Es gab viele Ausnahmen, doch die Bekehrung der Sachsen unter Karl dem Großen oder die Bekehrung der Indianer Amerikas war mit Sicherheit keine freiwillige Angelegenheit. Es reagierte das Recht des Stärkeren. Und vor allem auf deutschen Boden galt lange: Was der Fürst glaubt, hat das Volk zu glauben.

 

„...Allerdings würde ohne den Einfluss des Christentums der Menschenhandel auch heute noch florieren...“

 

Und wie der floriert, zum Beispiel auf dem Gebiet der Prostitution!

Und dann formuliert der Autor einen Satz, der auf den Kern des Problems hinweist:

 

„...An einem Tag, an dem das Christentum und die Welt Freunde werden, wäre das Christentum abgeschafft...“

 

Hier hätte ich mir eine ausführliche Analyse der historischen Entwicklung gewünscht, denn in dm Moment, wo das Christentum ein Machtfaktor wurde, hat es sich von seine Wurzeln gekonnt und unmerklich entfernt. Es regierte ein Glauben der Angst, nicht der Liebe.

Ein einziges Kapitel widmet der Autor den Fehlentwicklungen, wobei mir die Suche nach den Ursachen zu kurz kommt. Aber das Thema hätte vermutlich Platz für ein eigenes Buch geliefert.

Zum Abschluss wendet sich der Autor den Christentum heute zu. Seine Zeitanalyse ist nicht von der Hand zuweisen, bleibt aber oberflächlich.

Eine ausführliche Literaturauswahl ergänzt das Buch. Zu erwähnen bleibt die Hochwertige Aufmachung mit Lesebändchen und vergoldeten Innenseiten.

Das Buch hat mir trotz mancher Kritik sehr gut gefallen.