Rezension

Eine skurrile Familie und ein wirklich tolles Buch

Binewskis: Verfall einer radioaktiven Familie - Katherine Dunn

Binewskis: Verfall einer radioaktiven Familie
von Katherine Dunn

Bewertet mit 5 Sternen

 Die Familie Binewski lebt im Zirkus und ihr Konzept ist es bloß nicht normal zu sein. Al und Chrystal Lil züchten sich durch Drogencocktails in der Schwangerschaft ihre eigene Freakshow heran. Arty ist der Fischjunge, „Aquaboy“ genannt, der statt Arme und Beine Flossen hat. Die siamesischen Zwillinge haben eigenständige Oberkörper und ein Paar gemeinsamer Hüften. Arty und die Zwillinge sind die Stars des Zirkus. Das am wenigsten auffällige Kind Olympia erzählt die Familiengeschichte und wie die radioaktive Familie langsam auseinander fällt.

Die Geschichte wird größtenteils von der Ich-Erzählerin Olympia Binewski erzählt. Dabei gibt es die Jetztzeitnotizen, da ist die Familie schon auseinander gefallen und dann erzählt Oly in Rückblicken als die Familie noch zusammen im Zirkus lebte. Diese Teile sind größtenteils chronologisch geordnete Ereignisse, die nach und nach alle Besonderheiten der Familie enthüllen. Dabei kommt wirklich ein Schocker nach dem anderen, wenn man dachte: „Das war jetzt das Skurrilste“, dann kommt es gewiss noch besser.  Alle Wertvorstellungen des Lesers werden hier auf die Probe gestellt. Die Welt in der die Familie lebt und ihre Vorstellungen sind so außergewöhnlich, dass es wirklich spannend ist, sie nachzuvollziehen.

Die Protagonisten sind alle sehr unterschiedlich und ihre Charaktere werden hier sehr schön herausgearbeitet. Dabei sind einem natürlich nicht alle sympathisch und durch ihre Ansichten kann man manchmal Entscheidungen vielleicht nicht nachvollziehen, aber sie passen immer zum jeweiligen Charakter.

Der Schreibstil ist einfach große Klasse. Da ist jedes Wort und jeder Satz durchdacht und der Familie und dem Thema angepasst. Es ist kein Wort zu viel und mir hat es sehr großen Spaß gemacht dieses Buch zu lesen. Ein kurzes Zitat zur Beschreibung der Ich-Erzählerin Olympia: „Enttäuschend alltägliche Entstellung: Albinismus der handelsüblichen Sorte mit rosa Augen, ihr Buckel hebt sich zwar deutlich hervor, ist aber weder im Hinblick auf Größe noch auf Form besonders bemerkenswert. Der ab dem dritten Geburtstag unverkennbare Zwergenwuchs war eine angenehme Überraschung.“  Man merkt hier wirklich sehr gut, dass die Autorin 17 Jahre gebraucht hat, denn so eine Präzision sieht man wirklich selten.

Noch kurz ein Wort zu dieser Ausgabe. Sie ist wirklich sehr hochwertig und die Gestaltung hat mir sehr gut gefallen. Trotz Lesebändchen gibt es ein Lesezeichen, auf dem Zitate zu allen Familienmitgliedern stehen, welches ich besonders schön finde. So werden mich die Binewskis noch eine ganze Weile begleiten.

Insgesamt ein tolles Buch das Sprachlich sehr überzeugt und den Leser in eine komplett andere Welt eintauchen lässt. Ich kann es jedem empfehlen, der hochwertige Romane schätzt. Am liebsten würde ich mehr als 5 Sterne vergeben, aber das geht leider nicht.

Kommentare

JeannyMeyer kommentierte am 02. Juli 2014 um 02:41

Das Buch an sich interessiert mich. Allerdings bin ich kein Zirkusgeschichtenfan. Hm.