Rezension

Eine unsympathische Protagonistin

Die Königin der Orchard Street - Susan J. Gilman

Die Königin der Orchard Street
von Susan J. Gilman

Bewertet mit 4 Sternen

Susan Jane Gilman liefert mit ‚Die Königin der Orchard Street’ ein wirklich wunderbares Buch ab, das nicht nur Malka von 1913 bis in die 1980er Jahre begleitet, sondern auch viel über den American Style of Life erzählt.

Aber der Reihe nach.

Zum einen ist da eine Frau, die auf ihr Leben zurückblickt, das anfangs aus schrecklicher Armut besteht, dann aber durch harte Arbeit im Luxus ‚endet’. Dabei scheut sie sich nicht, das Kind beim Namen zu nennen und geht auch mit sich selbst nicht zimperlich um.
Das wiederum ist auf der einen Seite sehr schön und voller historischem Ambiente – auf der anderen Seite ist Malka beziehungsweise Lillian kein sehr netter Mensch. Also niemand, den man in sein Herz schließt. Mit dem man mitleidet. Nun ja, bis auf drei Szenen, die mir wirklich sehr nahe gegangen sind. In den ersten beiden übrigens ohne, dass sie viele Worte macht, nämlich genau deswegen. Doch werden ihre Beweggründe sehr deutlich und somit realistisch. Wäre Malka ein ‚guter’ Mensch, wäre sie wahrscheinlich schon mit fünf Jahren verhungert (und es gäbe das Buch nicht). Das Leben ist eben kein Ponyhof. Und die Welt ist kein schöner Ort. Aber es hilft, wenn einem der Ich-Erzähler in einem Buch sympathisch ist.

Interessant ist, was dieser Überlebenskampf mit dem Mädchen macht, wie es jede Möglichkeit nutzt, um ihr Ziel (Sicherheit) zu erreichen und welche Opfer es dabei bringt. Ohne Pathos übrigens und mit sehr viel Selbstkritik, auch wenn es stellenweise an Entschuldigungen und Ausreden nicht mangelt.

Stilistisch ist das Buch bezaubernd. Die 553 Seiten lesen sich gut weg, ohne trivial und simpel zu sein. Im Gegenteil schafft die Autorin eine Atmosphäre, wie sie bei einem Gespräch, in Ordnung, Monolog trifft es besser, herrschen könnte. Eine alte Dame, die ihrem Enkel, fremden Leuten, irgendwem ihr Geschichte erzählt, ihr Publikum zuweilen mit ‚meine Schätzchen’ anspricht. Das fand ich gut. Auch, weil es so offen ist, ohne Tabu und authentisch.

Aber wie es so ist mit Lebensbeichten, es gibt Geschichten, die ‚man’ einfach nicht hören will oder auch kaum ertragen kann. Und das waren die Momente, in denen ich spürte, wie ich auf Abstand ging und eher ungeduldig wurde.

Fazit?
Ein großartiger Roman voller historischer und psychologischer Einblicke, allerdings nicht so ganz mein Fall. Trotzdem eine Leseempfehlung.