Rezension

Eine unterhaltsame und schön zu lesende "Reise in die Geschichte des Fahrrads und der Frauenemanzipation

Solang die Welt noch schläft - Petra Durst-Benning

Solang die Welt noch schläft
von Petra Durst-Benning

Bewertet mit 4 Sternen

Der Roman erschien im List Verlag (2012, HC) und das Cover der gebundenen Ausgabe gefällt mir wesentlich besser als das hier abgebildete (TB), da es etwas romantisierend eine junge Frau, die sich an den Baum lehnt, ein Velo neben sich stehen hat.... 

"Berlin, um 1890. Josefine entdeckt für sich die gefährliche, für Frauen geradezu skandalöse Leidenschaft des Radfahrens. Dafür riskiert sie alles. Und sie verliert alles - ihre Familie, ihre Freundinnen und fast sich selbst. Aber Josefines Kämpferherz ist groß! Und die Liebe eines Mannes ermutigt sie, ihren Lebenstraum zu verwirklichen. Bei einem strapaziösen Radrennen will sie beweisen, was in ihr steckt. Entschlossen tritt Josefine an - und trägt einen ganz eigenen Sieg davon."(Quelle: Buchrückentext)

Die Trilogie des "Jahrhundertwindes", in der es um die Emanzipation der Frauen geht, die der Autorin in all ihren Romanen sehr am Herzen liegt, beleuchtet die Schicksale und Charaktere von Josefine, Isabelle und Clara, die zwar (in dieser Zeit sehr von Bedeutung) nicht aus demselben gesellschaftlichen Milieu stammen, aber von Kindesbeinen an befreundet sind. Josefine entstammt einer Hufschmied-Familie, Clara ist die Tochter eines Apothekers und Isabelle die eines sehr wohlhabenden Fabrikanten.
In diesem Band nun schildert die Autorin auf sehr unterhaltsame, auch warmherzige, flüssig und gut zu lesende Weise das Schicksal Josefines. Dabei gelingt es Frau Durst-Benning wie immer sehr gut, atmosphärisch dicht zu schreiben, so dass man als Leser direkt in das Geschehen - hier dem Leben und den gesellschaftlichen Konventionen vor 100 Jahren, die für Frauen bestanden - eintauchen kann. Der Erzählstil ist sehr unterhaltsam-erzählerisch, die Dialoge spielen eine große Rolle und erscheinen mir zuweilen etwas betulich, beschaulich und moralisierend, allerdings bewegt es sich auf einer Ebene stilistisch, die nicht allzusehr in die Trivialität abgleitet.

Die Unterthemen sind Liebe und Freundschaft sowie voranstehend die Emanzipation der Frauen, die mit unglaublichen Vorurteilen aus der Männerwelt, besonders der Mediziner, zu kämpfen hatten, wollten sie auf ein Veloziped steigen! Diese gesellschaftliche Realität wurde sehr gut eingefangen und die Hürden und Hindernisse dargestellt, die Frauen überwinden mussten - und überwunden haben! - um ebenso wie der Mann diese "Maschine" bedienen zu können: Josefine hat zudem technisches Verständnis und stößt auf Mauern, als sie sich um eine Stelle im mechanischen Bereich bewirbt, da diese der Männerwelt vor 100 Jahren vorbehalten waren. Die Autorin bringt in diesen Beispielen eben jene Zurücksetzung der weiblichen Fähigkeiten sehr gut zum Ausdruck, was mir ausnehmend gut gefallen hat. 

Ich fühlte mich durch diese unterhaltsame und warmherzig geschriebene "Reise in die Geschichte des Velos und des Frauenradsports" sehr gut unterhalten und hatte viele informative und auch interessante "Schmökerstunden": Die Anmerkungen der Autoren geben der Geschichte auch ein Mehr an Authentizität, was mir ebenfalls sehr gefiel. Achtung: Der Roman hat die Auswirkung, zum Radfahren zu animieren und das vom Rost befreite Rad sofort aus dem Keller zu holen und - loszufahren! ;)

Fazit:
Band 1 der Jahrhundertwind-Trilogie kann ich sehr empfehlen und finde den Roman lesenswert, da er schöne Lesestunden beschert und informativ über die Geschichte des Velozipeds und des Radsports für Frauen Aufschluss gibt. Natürlich verbirgt sich auch eine Liebesgeschichte darin, die jedoch nicht zu trivial wirkt und mir auch gefallen hat: (Unter anderem ;) Für Frauen und velobegeisterte LeserInnen empfehlenswert! Ich vergebe gerne 4 Sterne und 92° auf der "Histo-Couch".