Rezension

Einfühlsam, mitreißend und sensibel erklärt

Mein Bruder heißt Jessica - John Boyne

Mein Bruder heißt Jessica
von John Boyne

Bewertet mit 4.5 Sternen

Sam liebt seinen großen Bruder Jason, denn er ist immer für ihn da. Als dieser ihm jedoch verkündet, dass er eigentlich seine Schwester ist, bricht für Sam eine Welt zusammen und die Familie fast auseinander.

Sams Eltern haben beide wichtige Positionen in der Politik und sind nur selten zu Hause. Die Betreuung der Kinder sollten eigentlich ständig wechselnde Au pairs übernehmen. In Wahrheit hat sich der ältere Jason immer um seinen Bruder Sam gekümmert. Für Sam ist Jason der Mensch, den er am meisten bewundert. Jason kann super Fußball spielen und gehört zu den beliebtesten Jungen der Schule. Ein wenig dieses Ruhms fällt auch für den introvertierten Sam ab. Zumindest ist es so bis zu diesem seltsamen Nachmittag. Da vertraut Jason seiner Familie an, dass er sich wie ein Mädchen fühlt. Also hat Sam gar keinen Bruder, sondern eine Schwester? Niemand nimmt sich die Zeit, Sam die Situation genau zu erklären. Jason zieht sich vollständig zurück und die Eltern sind so mit ihrer Politik beschäftigt, dass sie die Situation einfach ignorieren. Nicht nur in der Politik, sonder auch in der Schule sind Vorurteile, Homophobie, Mobbing und Aufklärungsdefizite an der Tagesordnung. Die Lage spitzt sich immer weiter zu bis Jason einfach verschwindet.

Auf unschuldige, naive und kindliche Weise erzählt Sam diese Geschichte in der Ich-Form im Präteritum. Beim Lesen kann man sich sehr gut in den ruhigen, introvertierten Jungen versetzen, seine Gedanken und Gefühle nachvollziehen. Er sieht sich unvorbereitet mit einer Tatsache konfrontiert, die ihm nicht erklärt aber sein Verständnis vorausgesetzt wird und muss nun für sich einen Weg finden, die neue Schwester zu akzeptieren. Die Stellung dieser Familie in der Gesellschaft ist sehr gut gewählt, so können die Reaktionen auf das Outing im Umfeld sehr breit beleuchtet werden.

Die bewegende Geschichte erzählt einfühlsam und mitreißend über das Outing eines Transgenders. Durch die Erzählperspektive des jüngeren Familienmitglieds, klärt dieser Roman sehr gekonnt auf und eignet sich für Leser*innen ab zwölf Jahre.