Rezension

Einfühlsame, wortreiche Suche nach den eigenen Wurzeln in einem fremden Land.

Zeit der Wahrheit - Renate Ahrens

Zeit der Wahrheit
von Renate Ahrens

Südafrika - mon amour.

Zoe – ein geheimnisvolles, griechisches Wort, das Liebe und Sein auf höchster Ebene bedeutet – ein Wort, das Pia Lessing lange Zeit nicht gehört hatte, bis zu dem Tag, an dem sie es von den Lippen ihres sterbenden Vaters las. Zoe – das war der Vorname ihrer südafrikanischen Nanny gewesen, die sich liebevoll in den Jahren um sie gekümmert hatte , in denen die Familie dort in Kapstadt gelebt hatte. Lachen und unbeschwerte Fröhlichkeit verbanden sich mit der Erinnerung an Zoe, beschützende Wärme empfand sie heute noch, wenn sie an ihre tröstlichen Umarmungen dachte, und ein Duft von Zimt und Vanille lag in der Luft. Aber auch Streitgespräche und Vorwürfe im Zusammenleben ihrer Eltern brachte sie mit den Erinnerungen an ihre Nanny zusammen, laute, wütende Worte der Mutter, die sie der Nanny entriss und irgendwann war dann auch der Zeitpunkt des Abschieds gekommen, an dem sie den schwarzen Kontinent überstürzt verließen und nach Hamburg zurückgingen.

Was war damals gewesen, was war vorgefallen, dass in ihrem Hause die Erinnerung an Südafrika tabu war? Pia wußte es nicht, konnte nur Vermutungen anstellen, aber sie fühlte, dass sie sich auf die Suche machen würde, die Rätsel ihrer Vergangenheit zu lösen.

Als sie 1996 den Auftrag erhielt als journalistische Beobachterin über den Ablauf der südafrikanischen Wahrheits–und Versöhnungs-Kommission zu berichten, kehrte sie damit auch gleichzeitig zurück zu den unbekannten Wurzeln ihrer Kindheit und der schwierigen Bewältigung des eigenen Ichs.

Dieser Weg würde schwer sein und es würde ihre ganze Stärke erfordern, diese Zeit der Wahrheit für sich zu entdecken.

Renate Ahrens hat mit flüssigem Stil und schöner, wortreicher Sprache dem Leser die Schilderung einer Suche nahegebracht. Es ist nicht irgendeine Suche, sondern eigentlich das Forschen nach etwas Verlorenem, dessen Auffindung dann über Umwegen in die eigene Mitte führt. Die Schilderung der zahlreichen, oft erfolglosen Ermittlungensversuche ist intensiv quälend und sogar deprimierend, ja, ab und zu möchte man auch als Leser aufgeben und sich ergebnislos bescheiden.

Und dann kommt da wieder eine Kleinigkeit, ein Wink, der Hoffnung schöpfen lässt, so wie es doch auch in der Realität des Lebens meist weitergeht, authentisch und überzeugend. Zwischendurch erlebt der Leser den wunderbaren Ausblick auf imponierende Landschaften des fremden Kontinents aber auch den oft verstörenden Einblick in die unverständlichen Apartheids-Gesetze eines dunklen Erdteils.

Ein schöner Roman, der sich angenehm lesen lässt und auch relativ schnell Spannung aufbaut, was das Vorhaben seiner Hauptprotagonistin anbelangt. Trotz positiver Entwicklung der Geschichte bleibt ein kleiner Wermutstropfen, der mit Zoes Schicksal zusammenhängt – wieder mal nicht die heile Welt, die wir alle so lieben, die wir alle anstreben und doch nicht verwirklichen können.

Unabhängig davon sind für das Buch jedoch alle Sterne angebracht.