Rezension

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Einmal Koerpertausch und zurueck, bitte!

6000 Rupien - Kathrin Hettler, Jürgen Held

6000 Rupien
von Kathrin Hettler Jürgen Held

Bewertet mit 5 Sternen

Zum Inhalt:

Jannis und Kara, ein frisches und junges Paar, wollen die gemeinsame Reise nach Indien antreten. Obwohl Jannis es vorzieht, lieber alleine nach Indien zu gehen um sich dort mit sich selbst zu beschaeftigen, laedt er Kara auf seine Reise ein. Er nutzt sie als Gelegenheit rauszufinden, ob er und Kara eine gemeinsame Zukunft haben. Aber dort angekommen finden sich schnell die ersten Probleme. Kara darf als Frau nicht alles besichtigen, sie muss sich zurueckhaltend verhalten und sollte versuchen, nicht durch den europaeischen Kleidungsstil aufzufallen. Dadurch wird dann auch schnell klar, dass beide ein wenig in ihrer Besichtigungstour eingeschraenkt sind, was die Reise aber nicht weniger interessant macht.
Entgegen jeder Warnung von Jannis, macht sich Kara kaum die Muehe, die ganzen Hygieneregeln einzuhalten. Der dreckige Rucksack, den sie auf der Strasse abgestellt hat, wird einfach aufs Bett geworfen, waehrend Jannis seinen auf die Erde stellt. Karas Anziehsachen fliegen quer durch die Zimmer und auch sonst sieht es mit streng eingehaltenen Hygienemassnahmen ihrerseits etwas Mau aus. Sowas raecht sich natuerlich sehr schnell. Nachdem Kara tagelang nur zwischen Toilette und Bett pendeln konnte, da ihre mitgebrachten Medikamente die Heilung nicht eintreten lassen wollten, besorgte Jannis etwas aus einer Apotheke vor Ort. Durch diese erholte sie sich ziemlich schnell, was dann auch schnell die Begegnung mit Anjana nach sich zieht.
Zufaellig auf der Strasse getroffen, fixiert diese Frau sie immer und immer wieder. Wie zufaellig scheint sie immer dort zu sein, wo sich auch Kara und Jannis befinden, was Jannis erst nur als Zufall sieht, wird ihm dann doch zu auffaellig und er stellt sie zur Rede. Das Angebot von Anjana zum Koerpertausch zwischen Jannis und Kara kam fuer beide ueberraschend, wenn sie es auch nicht unbedingt ernst nahmen. Doch je laenger sie in ihren Gedanken der Sache nachhingen und je mehr sie das ganze in Gedanken ausschmueckten, desto faszinierender war die Idee. Dass das ganze Folgen haben musste, haette beiden klar sein muessen doch die tatsaechlich eintretenden Folgen konnte keiner der beiden vorhersagen, auch nicht Anjana.
Einen Monat haben beide im Koerper des anderen Zeit. Doch was am Anfang lustig ist und wie eine Runde "Wilde Maus" immer wieder ein auf und ab ergibt, wird durch einen Schnelltest boese beendet und die Verfolgungsjagd kann beginnen...

Von mir:Als erstes muss ich gestehen, ich habe mich nicht an die Rezension getraut.Zum einen mag das am Thema liegen. Von Indien habe ich nicht viel Ahnung und auch ueber Koerpertausch habe ich bisher nicht wirklich intensiv nachgedacht. Natuerlich stellt man sich, wenn man weiss um was es in dem Buch geht, die ein oder andere Frage, aber das reicht noch lang nicht aus.Zum anderen liegt meine Zurueckhaltung an meiner Meinung ueber das Buch. Waehrend ich mit meiner Rezension noch etwas zurueck haenge, gibt es ja schon die ein oder andere zu finden. Dass sich meine Meinung extrem von der anderer unterscheidet gab mir ein wenig zu denken, dadurch bin ich scheu geworden und habe mir geschworen: Nie wieder liest du eine Rezension ueber ein Buch, dass du selbst noch rezensierst! Denn natuerlich unterscheidet sich meine Meinung von anderen, so wie sich Meinungen immer unterscheiden. Und das ist auch gut so!
Das Aeussere:
Kommen wir aber zurueck zum Buch und da muss ich noch etwas gestehen: Als ich es aus der Verpackung holte und in der Hand hielt musste ich lachen. Mir ist sofort aufgefallen, dass es kleiner ist, als andere Buecher die ich in der letzten Zeit in der Hand hielt. Der Unterschied ist nicht gross aber er faellt auf und (auch wenn ich diese Art der Beschreibung nicht nutzen sollte, kann ich nicht anders:) ich fands so suess!Das Cover ist von den Farben her in verschiedenen Rot- und Brauntoenen gehalten, in dessen oberer haelfte sich eine Spirale befindet, darunter direkt der Buchtitel. In der linken unteren Ecke sieht man eine halbe Statue. Alles in allem relativ Schlicht aber es sagt trotzdem eine Menge aus, zumindest habe ich, nachdem ich das Buch gelesen habe das Gefuehl, ich verstehe warum dieses Cover so aussieht, wie es nunmal aussieht.
Schreibstil und Sprache:
Am Anfang sei erwaehnt, ich bin des oefteren ueber das ein oder andere Fehlende Satzzeichen gestolpert, das stoert mich aber nicht im geringsten. Wenn ich im Lesefluss bin, achte ich auf wichtigere dinge, wie zum Beispiel die Art wie alles beschrieben ist.Ich konnte mir gut die Orte vorstellen, an denen sie gelandet sind, Ich liebe es, wenn Orte und Umgebungen so detailreich beschrieben sind, dass man das Gefuehl hat, man steht mittendrin. Gleichzeitig wird aber noch soviel Luft gelassen, dass man sich klitzekleinste Details selbst "hinein-vorstellen" kann und sich somit seine individuelle kleine Kulisse bauen kann.
Hauptsaechlich wird waehrend des Lesens zwischen Kara und Jannis immer wieder hin- und hergewechselt. Man liest im Wechsel mal aus Karas Sicht und mal aus der Sicht von Jannis und immer in der Form des "Ich-Erzaehlers". Was sich erstmal in der Theorie sehr nett anhoert und auch neu anhoert, da ich so einen Schreibstil bisher nicht gesehen habe, wird in der Praxis ganz schoen herausfordernd. So musste ich doch am Anfang und auch auf den ersten Seiten nach dem Koerpertausch immer mal wieder nachschauen, aus wessen Sicht ich nun eigentlich einen Einblick bekomme. Man kommt aber sehr schnell in den Bereich des fluessigen lesens und gewoehnt sich auch sehr schnell an den fliegenden Wechsel zwischen beiden Protagonisten.
Mein Fazit:
Reisefieber hat mich nicht gepackt, aber dafuer liebe ich das Buch!Ich bin kein Mensch, der schnell fernweh bekommt, oder sich sonst in eine Art Reisefieber versetzen laesst, wenn man von anderen Laendern liest, daher soll das nichts ueber das Buch selbst sagen. Ich mag den kleinen aber feinen Einblick, den das Buch ueber Indien hinterlaesst und stellenweise hat man das Gefuehl man ist dort. Mir persoenlich reicht das vollkommen. Aber ich bin mir sicher, dass andere Menschen das Reisefieber packen wird, wenn man ueber einige Stellen im Buch stolpert.
Die Geschichte ueber einen Koerpertausch und den damit verbundenen Folgen finde ich sehr interessant. Man denkt ueber sowas nicht unbedingt jeden Tag nach, macht sich darueber eventuell auch nicht die grossen Gedanken und doch bleibt man bei dem Buch auch nach dem Lesen eine weile haengen und denkt sich:"Was haette ich getan?"
Meiner Meinung nach ist kein Bereich zu viel oder zuwenig ausgebreitet worden. Momentan vermisse ich nach dem Koerpertausch nichts, was ich persoenlich direkt haette ausprobieren wollen. Sowohl Begegnungen mit dem Cousin von Jannis als auch Sex- und Drogen werden im anderen Koerper beschrieben. Alles in allem aber in einem normalen Rahmen, keineswegs uebertrieben oder in irgendeine Richtung zu lastig. Sind wir ehrlich, dann ist das erste, was vielen bei dem Thema "Koerpertausch" in den Sinn kommt der Sex im Koerper des anderen Geschlechts. 
Die Geschichtsentwicklung waehrend des Lesens hat mich etwas geschockt. Werden doch immer wieder die Folgen des Koerpertauschs angeschnitten, gibt es natuerlich im Bereich wo die Verfolgungsjagden losgehen nicht mehr viel, was man grossartig austesten kann. Nachdem eines Tages der HIV-Test ergab, dass der Koerper von Kara HIV-Positiv ist fasst sie eine Kurzschlussreaktion. Danach passiert das, was man so macht, wenn man sowieso der Meinung ist, man koenne nicht mehr viel verlieren. Sie begibt sich im Koerper von Jannis auf "Frauenfang", experimentiert auch Gleichgeschlechtlich herum, waehrend Jannis in Karas Koerper eigentlich nur noch Kara finden will. Wenn man dann gute 3 Wochen in einem fremden Land festsitzt (und ich nehme an es waren gut 3 Wochen, da sie ja dem Tag des Ruecktauschs immer naeher kamen) und auch in einem anderen Koerper hat man, soweit ich es mir vorstellen kann, schon gut alles ausgetestet, was im zeitlich begrenzen Rahmen moeglich war. Deswegen bin ich mit den "Erkundungen nach dem Koerpertausch" vollends zufrieden, auch wenn man gern noch das ein oder andere erfahren haette. Zum Beispiel:
Warum haut Kara ab? Ist es die Flucht vor dem moeglichen? Ich kann mir vorstellen, dass so ein Test auch nicht unbedingt fehlerfrei ist... Oder ist es die Angst Jannis mit der Wahrheit zu konfrontieren?Andererseits - ganz ehrlich - haette Kara Jannis direkt gesagt, dass der Test positiv war und Jannis haette ihr aufmunternde zugesprochen, ihr zugesichert, sie wuerden das gemeinsam schaffen etc etc etc... Nunja, dann waere das Buch nicht das was es ist.
Ueberrascht hat mich dann das Ende, obwohl man damit haette rechnen koennen... Wie heisst es doch so schoen? Karma trifft immer. Sehr erfreut haben mich auch die Mails, die Kara am Ende geschrieben hat. Waehrend mir das ein oder andere mal auch an diesen Stellen die Gaensehaut nicht fern blieb, musste ich bei der Email an Bengt frecherweise laut lachen. Genauso wie die "Vorblenden" (sind ja keine "Rueckblenden") ueber die verschiedenen Charaktere des Buchs. Ich mag es, wenn man zumindest ein kleines bisschen das Gefuehl hat, man weiss wie es mit den anderen weiter geht und kann sie wieder in ihre fiktive Welt entlassen. Besonders geruehrt hat mich allerdings der letzte Abschnitt. Warum? Das sollte man selbst lesen, wenn man das Buch gelesen hat.
Im uebrigen moechte ich mich jetzt hier am Ende dafuer entschuldigen, dass diese Rezension so lang geworden ist. Glaubt mir, ich habe mich noch zurueck gehalten !
Schlusssatz:
Oft sitzt man da und wuenscht sich in den Koerper eines anderen und dieses Buch zeigt, wie interessant so ein wechsel sein kann aber es zeigt auch, wie vorsichtig wir mit unseren Wuenschen sein sollten...