Rezension

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Körpertausch mit fatalen Folgen

6000 Rupien - Kathrin Hettler, Jürgen Held

6000 Rupien
von Kathrin Hettler Jürgen Held

Als Jannis und Kara gemeinsam nach Indien reisen, bekommen sie ein schier unglaubliches Angebot: Für die Dauer von vier Wochen können die beiden für eine Anzahlung von 6000 Rupien ihren Körper mit dem jeweils anderen tauschen. Als das tatsächlich funktioniert, können die beiden ihr Glück kaum  fassen und lassen ihrer Experimentierfreude freien Lauf, doch dann findet Kara etwas Schreckliches über ihren Frauenkörper heraus und beschließt, sich in Jannis Körper davonzumachen, um ein neues Leben als Mann zu führen. Als Jannis davon erfährt, beginnt eine wilde Verfolgungsjagd durch ganz Indien und ihm bleibt nur Zeit bis zum nächsten Vollmond, seinen Körper wiederzufinden und Kara zur Rückwandlung zu überreden. Wären da bloß nicht die furchtbaren Nebenwirkungen, die ein Körpertausch mit sich bringt, denn eine Seele sollte nie ihren rechtmäßigen Körper verlassen…

 

Der erste Teil des Buches strotzt nur so vor farbenfrohen Beschreibungen und Sinneseindrücken Indiens, die eine lebendige Atmosphäre schaffen.

Kapiteleinteilungen gibt es leider nicht, dafür aber nach Schauplätzen unterteilte Abschnitte, die noch einmal in die Perspektiven von Jannis und Kara unterteilt sind. Dieser Perspektivwechsel ist vor allen Dingen in der Zeit nach dem Körpertausch sehr vorteilhaft, weil so die intimsten Gedanken und Gefühle der Protagonisten zur Geltung kommen und sie so häufig auf amüsante Weise ausdrücken können, was sie gerade über das andere Geschlecht herausgefunden haben (es scheint z.B. eine gewisse Übung und Koordination zu erfordern, im Stehen zu pinkeln etc.).

Nach dem großen Bruch in der Handlung, der so unerwartet kam, wie ein Schlag ins Gesicht (der es auch für Kara gewesen sein muss), unterstützt diese Perspektive auch die zunehmende Abneigung, die man als Leser gegen Kara entwickelt, da deutlich wird, dass sie tatsächlich unglaublich egoistisch denkt und sich kaum Gedanken darüber macht, was nun aus demjenigen wird, den sie angeblich so liebt. Natürlich ist verständlich, dass sie wie jeder normale Mensch Angst vor dem Tod hat, aber ein deratiges Verhalten hätte man ihr nicht zugetraut, vor allem, da sie selbst mitverantwortlich für ihre Lage ist.

Generell sorgt ihr Charakter für wahre Hass-Attacken während des Lesens, sodass das Mitfiebern mit Jannis, auf dessen Seite man sich schnell schlägt, besonders intensiv wird, da man ihm schließlich Gerechtigkeit wünscht.

Irritiert haben mich nur einige wenige Sachen, z.B., dass Jannis nach mehreren Indienreisen nicht früher auf die Idee kommt, dass die mitgebrachte Medizin gegen Karas Magen-Darm-Infektion zu Anfang vielleicht wirkungslos ist und dass die beiden (und auch andere Personen) ohne mit der Wimper zu zucken andauernd irgendwelche Drogen einwerfen. Auch haben mir anfangs Beschreibungen des Äußeren der Protagonisten gefehlt und die Sprache war mir ein wenig zu umgangssprachlich/zu sehr auf Jugendsprache getrimmt, was sich im weiteren Verlauf aber gibt, da die beiden durch die Entwicklung der Dinge reifen, bis sie schließlich nichts mehr auf die leichte Schulter nehmen.

Leider bleiben einige Dinge am Ende offen, aber dadurch, dass Kara versucht, ein paar Dinge in der Welt in Ordnung zu bringen und ihren ursprünglichen Plan aufgibt, gewinnt sie einen Teil Sympathie zurück, was das Ende insofern befriedigend gestaltet.

 

Alles in allem ein interessantes Buch, das zuweilen etwas sex- und drogenlastig ist, dessen starke, runde Charaktere jedoch magnetisch wirken und das einen Mix der verschiedensten Facetten Indiens liefert! Auf jeden Fall lesenwert und eine Anregung, das Thema Körpertausch und Beziehung einmal von einer anderen Seite her zu betrachten, auch wenn der Sprachstil zu Anfang meiner Meinung nach etwas gewöhnungsbedürftig ist, im Gegenzug dafür aber manchmal mit besonders schönen Bildern und Landschaftsbeschreibungen auftrumpft.