Rezension

Einzigartig schön

Der letzte Paladin - Thomas Finn

Der letzte Paladin
von Thomas Finn

Cover:
Das Cover ist so traumhaft schön, dass sich allein deswegen der Kauf schon gelohnt hat. Mir gefällt sehr gut, dass die Sternenbilder hier zu sehen sind, deren genaue Bedeutung sich erst nach der Lektüre erschließt. Auch der Schriftzug des Titels passt perfekt in das Gesamtbild.

Meinung:
Nachdem ich „Die Chroniken der Nebelkriege“ gelesen hatte, dauerte es nicht lange, bis ich die zweite Fantasy-Reihe von Thomas Finn lesen wollte.
Diesmal steht wieder ein männlicher Protagonist im Vordergrund – Fabio. Er ist der Knappe seines Herrn Ludovico und soll Celeste, eine Novizin der Sternenmystikerinnen, zu ihrem Ausbildungsort Venezia begleiten. Doch bevor die drei ihre Reise antreten können, wird das Anwesen von Celestes Familie von Goblins überfallen und sie kann nur in letzter Sekunde mit Fabio fliehen. Sie treffen überraschend auf Meister Arcimboldo, einen überaus geheimnisvollen Gnom, der Fabios Neugier weckt. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg nach Venezia und dort offenbart sich erst das Grauen: Astronos, der gefährlichste Erzstellar macht sich nach seiner Vernichtung zu seiner Rückkehr bereit und die Anzeichen deuten auf Krieg hin…
Das erste, was mir hier auffiel, war der Schreibstil. Ich kannte bisher nur „Die Chroniken der Nebelkriege“ von Thomas Finn, die im Vergleich zu diesem Auftakt der Reihe sehr einfach gehalten waren, sodass klar ist, dass hier ein älteres Publikum angesprochen werden soll. Die Sprache ist viel poetischer, mystischer und tiefgehender. Beschreibungen sind genauer, die Sprache ist gewählter, gerade wenn Fabio mit Menschen spricht, die in der Hierarchie höher stehen. Ich habe mich sofort in Thomas Finns Worten verloren, weil sie einfach perfekt für ein Fantasybuch sind und ich mich lange nach so einer komplexen Sprache gesehnt habe.
Auch das Setting hat mir hier wieder sehr gut gefallen. Es lehnt sich an den uns bekannten italienischen Raum an, die Städtenamen sind diesmal nur geringfügig bis gar nicht abgewandelt, was ich unerwartet sehr mochte. Die Figuren, die fantastischen Elemente und die Sprache fügten sich so perfekt in den italienischen Hintergrund der Geschichte ein, dass daraus etwas sehr Innovatives entstanden ist, was ich so bisher noch nie gelesen habe und dem Buch einen besonderen Touch verleiht, den ich sehr ins Herz geschlossen habe.
Gut gefallen hat mir auch, dass es hier, was Kämpfe und verbale Auseinandersetzungen angeht, etwas mehr zur Sache ging. Einige Figuren erleiden ziemlich heftige Verletzungen und teilweise musste ich schlucken, weil ich auf solche Wenden nicht vorbereitet war, da ich nur die softe Version von Thomas Finn kannte. Für mich war es aber sehr stimmig und die Kampfszenen waren sehr abwechslungsreich beschrieben und setzten hier vermehrt auf trickreiche Listen, als auf das übliche Draufhauen, sodass mir die Szenen nicht langweilig wurden.
Ganz besonders und einzigartig finde ich jedoch den Weltenentwurf. Ich lese ja wirklich viele Fantasybücher und man stumpft leider aufgrund dessen immer mehr ab, findet unweigerlich Parallelen und nichts kann einen wirklich noch vom Hocker reißen. Vergesst das, wenn ihr dieses Buch lest. Der Weltenentwurf war gigantisch und so etwas habe ich noch nie gelesen und werde es auch nie wieder, fürchte ich.
Hier ist es so, dass Stellare die Welt erschaffen haben und natürlich gibt es von ihnen Gute und Böse. Gemeinsam mit bekannten mythologischen Aspekten, astronomischen und astrologischen Gegebenheiten und viel Fantasy ergibt sich so eine wunderbare Welt, die etwas ganz Eigenes ist. Hierbei spielen auch die erwähnten Sternenmystikerinnen eine wichtige Rolle, über die ich sehr gern noch mehr erfahren hätte. Allzu viel möchte ich von dieser Welt überhaupt nicht erwähnen, denn dieses Erlebnis soll jeder Leser selbst für sich erfahren.
Die Charaktere fand ich allesamt viel ausgereifter und tiefgehender, als noch in den Chroniken der Nebelkriege. Das liegt zum einen daran, das sie älter sind, aber auch dass die Handlung eine komplexere Figurenkonzeption erfordert.
Fabio fand ich ungemein sympathisch. Manchmal war mir seine Tugend ein wenig zu aufgesetzt, was aber sicherlich seiner Ausbildung verschuldet ist und mich deshalb nicht allzu sehr gestört hat. Ich mochte es, dass er bereit war, Grenzen zu überwinden und Dinge zu tun, die er eigentlich nicht hätte tun dürfen (z.B. auf die Gnome zuzugehen, die von den Menschen eher gemieden werden). Auch seine Loyalität mochte ich sehr gerne.
Auch Celeste, Meister Arcimboldo und die anderen Mitstreiter von Fabio fand ich toll beschrieben und sehr komplex. Jede der Figuren birgt so einige Geheimnisse, die nach und nach aufgedeckt werden und bei mir einige Male für großes Staunen gesorgt haben, da ich damit überhaupt nicht gerechnet hätte. Dadurch gewann die Handlung für mich automatisch an Authenzität, Komplexität und war nicht starr konstruiert, was ich sehr abwechslungsreich empfand.
Gestört hat mich, dass Sylvana eine Kopie von Dystariel aus „Die Chroniken der Nebelkriege“ war. Zum einen lag das an den Beschreibungen, da Sylvana wie Dystariel als sehr stark, massig und vor allem grummelig beschrieben wurde, aber auch daran, wie sie als Charakter dargestellt wurde: kämpferisch, draufgängerisch und sehr verschwiegen, was ihre eigenen Beweggründe angeht. Das hat mich leider schon ziemlich gestört, weil ich es unnötig fand und ich dadurch die Rolle von Dystariel rückblickend als etwas abgeschwächt empfinde, was mir nicht in den Kram passt.

Fazit:
Ein wunderbarer Auftakt zu einer tollen Fantasytrilogie! Der Weltenentwurf kann mich zu hundert Prozent überzeugen, da er wirklich etwas Eigenes ist und sich wunderbar in das italienische Setting einbetten lässt. Die Figuren besitzen alle eine Tiefe und Komplexität, die immer wieder für interessante Wenden sorgt und den Leser auf die Folter spannt, wenn man von Sylvanas Konzeption mal absieht. Ich kann das Buch jedem nur empfehlen, der komplexe Fantasy mag und eine Welt erleben möchte, die es so vorher noch nicht gab.