Rezension

Empfehlung: lesen!

Elternland - Aharon Appelfeld

Elternland
von Aharon Appelfeld

Bewertet mit 5 Sternen

»Jakob Fein, ein stiller Mann, besonnen und von angenehmem Wesen, beschloss nach gewissen Zweifeln, seine Familie und sein florierendes Geschäft für eine Weile zu verlassen, um in das Dorf zu reisen, in dem seine Eltern geboren waren. Er entschied das ganz sachlich und versicherte, binnen zehn Tagen, höchstens zwei Wochen zur Familie und zum Laden zurückzukehren, und dann werde alles wieder so wie vorher.«

Die beiden ersten Sätze von Aharon Appelfelds Roman »Elternland« (2007; Originalausgabe 2005), die den Leser gleich in die Handlung des Buchs hineinziehen, beschreiben sein »Programm«: die Rückkehr eines Mannes zu seinen familiären und geschichtlichen Wurzeln. Im Verlauf des Weges, den dieser Mann, Jakob Fein, dabei zurücklegen wird, bleibt es allerdings nicht bei der geplanten nur äußerlichen, geographischen Rückkehr, und nichts wird mehr so sein wie früher.

Fein lebt mit seiner Frau in Tel Aviv, die beiden haben zwei Töchter; er hat sich von seiner Herkunft distanziert: von der Religion und von der Geschichte seiner Eltern, die aus dem polnischen Schidowze in der Nähe von Krakau stammten und die Shoah überlebt haben: »Nach dem Tod seiner Eltern verkaufte Jakob die Wohnung und die alten Möbel. Das Geschirr, auch das besondere Pessachgeschirr, die Kleider und die religiösen Bücher vermachte er einer wohltätigen Einrichtung. Er tat dies schnell und effizient und behielt nichts für sich zurück, in der festen Überzeugung, dass dieser Schnitt notwendig war.« Allerdings erinnern ihn die Kunden seines von den Eltern geerbten, von ihm ausgebauten Geschäfts für Damenbekleidung noch an seine Herkunft: »Seine Eltern hatten hier noch einen Fuß in der Tür.«

Jakob Fein fliegt also von Tel Aviv nach Warschau, reist von da nach Krakau und nach einem kürzeren Aufenthalt weiter nach Schidowze; dort lernt er die Bäuerin Magda kennen, und zwischen beiden entwickelt sich eine intensive Liebesbeziehung. Magda kannte die jüdischen Bewohner des Ortes gut – etwa Jakobs Großeltern, die während der Besetzung durch das nationalsozialistische Deutschland in Schidowze ermordet wurden, oder seine Eltern, die entkommen konnten und in Verstecken überlebt haben. Es sind vor allem Magda und auch die Landschaft, die ihn an seine Eltern und deren Herkunft zurückbinden, die ihm das, was immer schon in ihm gelebt hat, zurückgeben.

So in etwa das Grundgerüst dieses Romans.

»Elternland« ist ein Roman über den Aufbruch des neuen Israel nach Zweitem Weltkrieg und Shoah, über das Verhältnis der neuen Gesellschaft zu den »alten« osteuropäischen Juden mit ihrer Geschichte und über die Bedeutung der Tradition für den Menschen bzw. ihres Verlusts – erzählt in Appelfelds eigenem Stil, der einem die Figuren besonders nahe zu bringen vermag.

Empfehlung: lesen!