Rezension

Ende offen

Seemann vom Siebener -

Seemann vom Siebener
von Arno Frank

Bewertet mit 4 Sternen

Das Ende ist nicht gut auszuhalten.

Im Freibad in Ottersweiler laufen an einem der letzten warmen Sommertage die Schicksalsfäden ganz verschiedener Leute zusammen, die hier mit ihren Erinnerungen an ganz unterschiedlich lange vergangene Zeiten konfrontiert werden: Bademeister Kiontke, der einen schweren Unfall vom Siebenmeterturm noch nicht verwunden hat. Josefine, die eigentlich heute ihren Mann, der bei einem Autounfall starb, beerdigen soll. Lennart, ihr Jugendfreund und weitgereister Fotograph, der für die Beerdigung zurückgekommen ist und, weil eine Sinnkrise seine Fotographiererei in Frage stellt. Isobel, deren Mann einst das Freibad baute und die nun immer mehr in die Vergangenheit abzugleiten droht. Renate, Kassiererin an der Kasse. Und die Ich-Erzählerin, die nach langer Abstinenz von der Welt aufgrund psychischer Probleme in Schwimmbad kommt, um dort einen ganz bestimmten Sprung vom eigentlich gesperrten Siebenmeter zu wagen, mit dem sie den Erinnerungen an das, was ihre Welt aus den Fugen brachte, die „Stirn zu bieten“, wie sie es ausdrückt. Denn die Stirn ist es, was bei diesem bestimmten, „Seeman“ genannten Sprung als erstes auf die Wasseroberfläche trifft. Kann das aus einer Höhe von mehr als sieben Metern gut gehen?

Der Leser fühlt sich anfänglich auch so, als sei er vom Sprungturm mitten ins kalte Wasser gesprungen oder eher geworfen worden. Er muss sich erstmal orientieren in den unterschiedlichen Geschichten der unterschiedlichen Figuren, die alle spannend sind, thematisieren sie doch unbewältigte Vergangenheit, auf deren Auflösung hin die Erzählfäden streben. Allerdings muss der Leser, den es fortdrängt, zu erfahren, was die Figuren antreibt, was sie erlebt und erlitten haben, das sie jetzt in ihren Erinnerungen immer wieder nur andeuten, sich stets aufs Neue gedulden, weil die Erzählstränge sich immer wieder abwechseln und somit die Fortsetzung immer wieder aufs Neue verschoben wird. Dabei kann es schon mal vorkommen, den Faden zu verlieren oder sich in den Fäden zu verheddern, zumal gerade die Erinnerung z. B. von Isobel sich seltsam mit der Gegenwart vermischen und auch nicht alle Erinnerungsfäden zielführend sich zu einem stringenten Erzählstrang verdichten lassen. Der ein oder andere findet sich, manche verlaufen einfach weiter und manche laufen ins Nichts. Einige finden an ein Ende, dass die Neugier des Leser befriedigt. Aber gerade der zentrale Faden der Ich-Erzählerin bricht einfach ab. Der Leser kann ihn in die ein oder andere Richtung weiterspinnen, aber ohne eine Gewissheit. Und so fühlt er sich am Ende selbst ein wenig wie einer, der nach großer Anspannung beim Erklimmen eines eigentlich gesperrten Siebenmeters ins Nichts fällt und nicht weiß, wie er aufkommt. Das muss man aushalten können.

So kunstvoll und letztlich auch verblüffend die Komposition auch ist, so spannend die Charaktere und so interessant der Erzählstil, so hat der Leser doch am Ende das Gefühl, er könnte da etwas überlesen haben und müsste vom Ende her die Geschichte noch einmal lesen, damit ihm sich die ein oder andere Merkwürdigkeit erschließt. Ohne zu viel verraten zu wollen, sei nur die Frage gestellt, wie viele Personen denn nun letztendlich auf dem Siebenmeterturm zu sehen waren?

Auf jeden Fall keine simple Sommer-Freibad-Strandlektüre, sondern wie ein konzentriert langsam freier Fall vom Turm mit heftigem Aufprall und verwirrendem Gefühl, in einem Wirbel aus Wasser und Blasen nicht unterzugehen.