Rezension

Erschreckende Vorstellung

Die Wahrheit - Sam Bourne

Die Wahrheit
von Sam Bourne

Bewertet mit 4 Sternen

Es gibt so viele unschätzbar wertvolle historische Dokumente, die Gutenberg Bibel, Skizzen von Leonardo Da Vinci, originale Seekarten aus Zeiten der großen Entdecker, die Unabhängigkeitserklärung, auf die Amerika so stolz ist, eine unendliche Liste. Jedes Land, jeder Kontinent, jede Religion hat ihr eigenes Gedächtnis, ihre Geschichte, festgehalten in Büchern, verwahrt in riesigen Bibliotheken und zusätzlich archiviert und jederzeit abrufbar über Suchmaschinen im Internet. Was würde nun passieren, wenn die Menschen nicht mehr zurückgreifen könnten auf dieses Wissen, wenn es verloren ginge? Vernichtet bei verheerenden Bränden, oder gelöscht aus den Weiten des World Wide Web. Wäre dann tatsächlich all das was wir uns erinnern nicht mehr wahr? Hat dann zum Beispiel die Inquisition nie stattgefunden, Shakespeare nie Hamlet geschrieben, Kolumbus nie Amerika entdeckt, gab es nie Sklaverei, oder Judenverfolgung? Wenn es keine schriftlichen Beweise, keine Zeitzeugen für solche Aussagen gibt, sind sie dann tatsächlich falsch, ist unsere Geschichte ein weißes Blatt und wir damit frei von allen Altlasten? 

Philosophisch gesehen schafft der Autor hier ein sehr interessantes Diskussionsthema, menschlich gesehen ein wahres Horrorszenario und leider auch Erinnerungen an dunkle Teile unserer deutschen Vergangenheit, denn auch hier sind schon Bücher in Flammen aufgegangen, ähnlich wie im Buch. 

Maggie Costello, ehemalige Mitarbeiterin im weißen Haus ist nicht zum ersten Mal Hauptfigur in einem Triller des Autors, für mich war es allerdings das erste Zusammentreffen. Das Buch kann gut ausser der Reihe gelesen werden, es fehlen vielleicht ein paar Hintergründe zu den Figuren, aber das merkt man nur am Rande, wenn man vielleicht eine Entscheidung von Maggie in Frage stellt, oder ihr Handeln etwas unvernünftig erscheint. Figuren und Story kommen, wie zu erwarten, sehr amerikanisch. Der Autor schreibt mit viel Pathos, sehr ausschweifend, teilweise in typisch amerikanischen Klischees. Erschreckend dabei, wie aktuell Teile des Buches angesichts der brisanten Ereignisse in den USA und der Black lives Matter Bewegung gerade sind. 

Der Autor bringt Themen in seinem Buch unter, die speziell in Amerika, die Sklaverei, aber auch global, der Holocaust, seit Jahrzehnten immer wieder für Leid, aber auch Konflikte sorgen. Da das Buch ein Thriller und kein Sachbuch ist geht er dabei natürlich nicht wirklich in die Tiefe, wirft aber, wie oben bereits angedeutet, interessante und erschreckende Gedankengänge auf. Man findet im Buch auch den ein, oder anderen Seitenhieb auf die aktuelle Regierung.

Die Geschichte folgt in Stil und Ausarbeitung ganz dem Vorbild der Bücher von Tom Clancy, es gibt eine Bedrohung, politische Verwicklungen, eine Heldin, die erst als Beste ihres Fachs gehandelt wird, später in Ungnade fällt und nun quasi im Alleingang und unter Einsatz des eignen Lebens versucht zu retten was zu retten ist. Sicher ließe sich der Stoff auch gut verfilmen. Es gibt typische spannende Thrillerelemente, aber über weite Strecken lebt die Geschichte von Recherchearbeit und dem Zusammenfügen von Puzzleteilen. Manchmal war es schwer die Gedankengänge nachzuvollziehen, stellenweise hat sich die Geschichte etwas gezogen. Wer auf viel Action und Geballer steht wird hier eher enttäuscht sein. 

Zusammenfassend hat der Autor einen soliden Roman abgeliefert, ganz in Tradition der großen Politthriller der 80/90er Jahre. Manchem Leser wird wahrscheinlich die Action fehlen, manche werden die oberflächliche Auseinandersetzung mit aktuellen Themen bemängeln. Meinen Geschmack hat es getroffen, die Reihe werde ich wohl aber erstmal nicht lesen.