Rezension

Erwachsenwerden in Amerika

Alle Toten fliegen hoch - Amerika - Joachim Meyerhoff

Alle Toten fliegen hoch - Amerika
von Joachim Meyerhoff

Bewertet mit 5 Sternen

Amerika ist der erste Band einer autobiografischen Romanfolge nach einem Bühnenprojekt des Schauspielers Joachim Meyerhoff. Meyerhoff ist Jahrgang 1967 und schildert in diesem ersten Teil sein Auslandjahr als 17jähriger in den USA. Nicht sehr spektakulär und Autobiografie schon von einem 46jährigen? mag man da zunächst denken, kann das nicht nur eitel und Selbstbespiegelung sein? Aber der Text Meyerhoffs ist alles andere als das. Man merkt, dass der Autor den Text geschrieben hat, um Vergangenheit für sich wieder lebendig zu machen, ja, sogar die Toten, zumindest in die Erinnerung, zurückzuholen - daher wohl auch der Übertitel des Projekts "Alle Toten fliegen hoch." Und das sind vor allem der sehr früh, während des Amerikaaufenthalts tödlich verunglückte Bruder, aber auch der erst später verstorbene, sehr geliebte Vater (dessen Tod wird im zweiten Teil "Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war" geschildert). Das Buch ist aber auch ein klassischer Bildungsroman. Der Held Joachim flieht aus der Enge der durchaus geschätzten Schleswiger Heimat und der sehr engen Bindungen zu seiner liebevollen Familie nach Amerika. Dort verschlägt es ihn nicht an spektakuläre Orte wie New York, Chicago oder Kalifornien, nein, seine Gastfamilie lebt im recht unwirtlichen Laramie, Wyoming. Hier ist es meist kalt, hinterwäldlerisch, die Familie streng gläubig. Aber Joachim ist auf beeindruckende weise offen für seine Umgebung. So kommt er den Gasteltern sehr nahe, findet Freunde, wird sogar ins Basketballteam seiner High School aufgenommen. Er bewahrt den offenen, oft staunenden, nicht unkritischen, aber nie aburteilenden Blick auf so manche Merkwürdigkeit oder auch nur Andersartigkeit der Menschen dort. Unterbrochen wird dieses Amerikajahr durch den tödlichen Unfall des Bruders. Joachim kehrt zur Beerdigung nach Hause zurück, flieht aber geradezu nach wenigen Wochen vor der Trauer der Eltern zurück nach Amerika. Auch durch dieses Ereignis reift der Autor zu dem jungen Mann heran, als der er dann schließlich nach Hause zurückkehrt. Meyerhoff erzählt anekdoten- und detailreich, oft sehr witzig, manchmal melancholisch, immer sehr feinfühlig und liebevoll von dem jungen Mann, der er einmal war und den Menschen, die ihn damals begleitet haben. Es hat so gar nichts von einer Abrechnung, wie man sie so häufig in autobiografischen Texten über die Jugendjahre findet. Das und die große Unterhaltsamkeit machen das Buch zu etwas ganz Besonderem.