Rezension

Exotisch, herausfordernd... eben ein Mitchell!

Number 9 Dream
von David Mitchell

Bewertet mit 5 Sternen

Mit David Mitchells "Number 9 Dream" bekam ich die volle Ladung Japan aufs Auge gedrückt. Das Buch lag bei mir "auf Halde" und eine Challenge, ein Buch mit einer Zahl im Titel zu lesen, und der Gewissheit, dass mich Mitchell bisher noch nicht enttäuscht hatte, errettete es von dort. Womit ich weniger gerechnet hatte, war eine ähnlich komplizierte Konstruktion der Geschichte wie im "Wolkenatlas". Ich trug seinerzeit den Atlas ohne Rückfahrtticket über den Atlantik, las ihn und trug ihn doch wieder heim. Sein Nachbar auf dem Regal darf sich nun glücklich schätzen, auch bleiben zu dürfen.

Also, Eiji Miyake ist gerade einmal 19, als er sich aus der japanischen Provinz Yakushima (einer Insel) nach Tokyo begibt, um dort seinen unbekannten Vater zu finden. Der einzige Anhaltspunkt ist die Anwältin, die den Kindesunterhalt geregelt hatte, sich aber ansonsten zur absoluten Verschwiegenheit über die Identität des Erzeugers verpflichtet hat. Das Geheimnis regt Eijis Phantasie an und schneller als erwartet fand ich mich in der ersten Gangster-Agenten-Schlacht im Pan Opticons Hochhaus, Sitz der Anwaltskanzlei Osugi und Bosugi, wieder.
Saß Eiji eben noch im Jupiter Café und himmelte die Kellnerin an, brauchte ich einen Augenblick, um die Zeichen zu deuten. Zeichen im wahrsten Sinne, denn alles, was unter den verschiedensten Schnörkeln und Symbolen geschrieben steht, darf getrost der Phantasie des Jungen zugeschrieben werden, die Passagen unter der Raute allerdings berichten von seinem wahren Leben. So wuchs Eiji keineswegs so wohlbehütet und geradlinig heran, er hatte eine Zwillingsschwester und die Mutter verließ die Familie früh.

Eigentlich ein fast normales Familiendrama, wenn da nicht das exotische und in vielen Belangen uns fremd erscheinende Land Japan, die wuselnde und übervolle Stadt Tokyo wäre, wo Menschen in Kapseln wohnen und die Einsamkeit der Menschen seltsame Blüten treibt. Mitchell macht das Begreifen dieser Umgebung aber auch nicht einfacher, wenn er Träume und Videospiele mit virtuellen Realitäten vermischt. Die Narben, die Eiji mit sich trägt, werden überschminkt mit Verwundungen aus Kämpfen, bei denen es nicht wirklich klar ist, in welcher Welt sie stattgefunden haben.

Die Rückschläge bei der Suche nach seinem Vater, die unerwarteten neuen Hoffnungsträger, einschließlich einer neuen Liebe und schließlich die große Erkenntnis für das Wichtige im Leben, Mitchell macht daraus ein rasantes Katz und Maus Spiel, mit ein paar gruseligen Details aus der Tokyoer Unterwelt und vielen Deutungen der Zahl Neun, einschließlich des Lennon Songs.

Mit etwas Konzentration entpuppt sich dieser Roman zu einem virtuosen Lesegenuss.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 14. März 2023 um 17:39

Oh je, ich habe noch nichts vom werten Herrn Autor gelesen. Scheint kompliziert zu sein, vllt zu viel für mein kleines weibliches Gehirn; Japan ist sowie so irgendwie "anders". Was ich nie verstehe, ist die Vatersuche. Selten sucht einer seine Mutter, aber die Vatersuche ist literarisch ja äusserst beliebt.